Die Gesellschaft des Abendsterns
Schritten näherten Kendra und Seth sich dem Hof. Mendigo wartete ein Stück hinter ihnen, mit der Anweisung, sie zu holen und sich mit ihnen in die Hütte zurückzuziehen, wenn sie nach ihm riefen. Kendra hatte versucht, ihn in den Hof zu schicken, aber er war außerstande gewesen, einen Fuß auf das Gras zu setzen. Dieselbe Barriere, die Ollock den Zutritt zum Hof verwehrte, sperrte auch die Stockpuppe aus.
Seth kauerte sich hinter einen belaubten Strauch in der Nähe des Waldes. Kendra ließ sich neben ihm nieder. »Schau auf die Veranda«, flüsterte er.
Kendra hob den Kopf, um über den Strauch hinwegzuspähen, aber Seth zog sie wieder herunter. »Schau durch den Strauch hindurch«, zischte er. Kendra wiegte sich von links nach rechts, bis sie eine Lücke fand, durch die sie die Veranda sehen konnte.
»Kobolde«, flüsterte sie.
»Zwei«, sagte Seth. »Von den großen. Wie haben sie es geschafft, in den Hof zu kommen?«
»Dieser große Kobold sieht aus wie der aus dem Kerker«, erwiderte Kendra. »Ich wette, sie waren beide Gefangene. Sie haben den Hof nicht vom Wald aus betreten, sie sind aus dem Keller gekommen.«
»Wir haben gesehen, wozu sie imstande sind«, sagte Seth und kroch rückwärts von dem Strauch weg. »Kobolde sind zäh. Wir dürfen das Risiko nicht eingehen, von ihnen entdeckt zu werden.«
Kendra zog sich mit Seth zurück zu der Stelle, an der Mendigo wartete. Die Schatten waren lang, da die Sonne bereits dem Horizont entgegenwanderte. »Wie kommen wir nur an ihnen vorbei?«, fragte Kendra.
»Keine Ahnung«, antwortete Seth. »Sie sind schnell und stark.« Er streifte den Handschuh über und verschwand. »Ich werde rübergehen und mir das mal aus der Nähe ansehen.«
»Nein, Seth. Sie halten Wache. Sie werden dich bemerken. Du kannst nicht gleichzeitig stillhalten und weglaufen.«
»Also geben wir auf?«
»Nein. Zieh den Handschuh aus.« Kendra unterhielt sich nicht gerne mit einer körperlosen Stimme.
Seth tauchte wieder auf. »Ich glaube nicht, dass wir allzu viele Auswahlmöglichkeiten haben. Wir können uns zwischen der Vordertür, der Hintertür oder einem Fenster entscheiden.«
»Es gibt noch einen anderen Weg hinein«, widersprach Kendra. »Vielleicht könnten wir den benutzen.«
»Von welchem Weg sprichst du?«
»Von den Wichteltüren. Sie führen über den Kerker ins Haus.«
Seth runzelte nachdenklich die Stirn. »Aber wie sollten wir … Moment mal – die Tränke!«
»Wir schrumpfen uns.«
»Kendra, das ist die beste Idee, die du je hattest«, sagte Seth.
»Aber es gibt da ein Problem«, erwiderte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wir wissen nicht, wie die Wichtel in den Kerker kommen.«
»Darum kann ich mich kümmern«, erklärte Seth. »Ich frage einfach die Satyre.«
»Du denkst, sie würden uns helfen?«
Seth zuckte die Achseln. »Ich habe etwas, das sie wollen.«
»Weißt du, wie du sie finden kannst?«
»Wir können es auf dem Tennisplatz versuchen. Wenn das nichts bringt, gibt es eine Stelle, an der ich ihnen Nachrichten hinterlasse.«
»Ich frage mich, ob die Feen es mir sagen würden«, überlegte Kendra laut.
»Wenn du eine dazu bringen kannst, mit dir zu sprechen«, entgegnete Seth. »Komm, wenn wir uns beeilen, können wir noch vor Sonnenuntergang dort sein. Es ist nicht weit.«
»Sie haben wirklich einen Tennisplatz gebaut?«
»Sogar einen sehr schönen. Du wirst schon sehen.«
Seth befahl Mendigo, sie hochzuheben, und dirigierte die Stockpuppe dann am äußeren Rand des Hofs entlang zu dem Pfad, der zum Tennisplatz führte. Mendigo lief den Pfad entlang, dass seine Haken nur so klirrten. Als sie sich dem Tennisplatz näherten, hörten sie Lärm von einem Streit.
»Ich sage dir, es ist zu dunkel, wir müssen Schluss machen«, ertönte eine Stimme.
»Und du meinst, deshalb wäre das Match unentschieden?«, erwiderte die andere Stimme ungläubig.
»Das ist die einzig faire Lösung.«
»Ich führe! 6:2, 6:3, 5:1. Und ich habe Aufschlag!«
»Doren, du musst drei volle Sätze gewinnen, um als Sieger aus dem Spiel hervorzugehen. Und dabei kannst du noch froh sein, ich hätte jetzt nämlich ganz schön aufgedreht.«
»Die Sonne ist noch nicht mal untergegangen!«
»Sie steht unter den Bäumen. Ich kann den Ball in diesem Licht nicht sehen. Du hast nicht schlecht gespielt, und ich gebe zu, dass du eine gute Chance gehabt hättest, zu gewinnen, wenn wir weitergemacht hätten. Leider hat Mutter Natur etwas dagegen.«
Mendigo
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