Die Gesellschaft des Abendsterns
und Kendra. Hugo stellte Seth sanft vor Oma auf die Füße.
»Geht es dir gut?«, fragte Oma, fasste ihn an den Schultern und untersuchte ihn auf Verletzungen.
»Dank Hugo.«
»Du hast Glück, dass Hugo gerade im Hof war«, sagte Oma. »Wir haben etwas im Wald brüllen hören und festgestellt, dass du verschwunden warst. Was hast du im Wald gemacht?«
»Ich habe mit den Satyren Tennis gespielt«, antwortete Seth. »Ollock hat mich gefunden.«
»Ollock!«, rief sie. Auch die anderen wirkten erschrocken.
»Wie konnte er in das Reservat eindringen?«, fragte Coulter.
»Bist du dir sicher, dass es Ollock war?«, hakte Oma nach.
»Ich habe ihn erkannt«, sagte Seth. »Er ist erheblich größer geworden. Und er hat einen ganzen Haufen Zungen. Er hat sich direkt auf mich gestürzt und kaum auf die Satyre geachtet.«
Plötzlich hörten sie im Wald etwas rascheln. Alle drehten sich um. Ollock kroch auf den Rand des Hofs zu, dann blieb er stehen. Der Dämon bäumte sich auf. Seine Zungen wedelten wie fleischige Banner, und er stieß ein klagendes Brüllen aus, dann stürzte er vorwärts. Aber er konnte das Gras des Hofs einfach nicht betreten.
»Er kann nicht in den Hof vordringen«, sagte Vanessa.
»Noch nicht«, ergänzte Oma.
»Wie ist er dann überhaupt ins Reservat gelangt?«, wiederholte Coulter.
»Ich weiß es nicht, aber wir sollten der Sache besser schnell auf den Grund gehen«, antwortete Oma.
»Kann Hugo ihn töten?«, fragte Kendra.
»Unwahrscheinlich«, sagte Oma. »Ich vermute sogar, dass Ollock selbst in dieser Größe Hugo Stück für Stück verschlingen könnte, wenn er es sich in den Kopf setzt.«
Ollock schüttelte den Kopf, wackelte mit seinen Zungen und scharrte auf dem Boden, offensichtlich zornig darüber, dass seine Beute so nah und doch so unerreichbar für ihn war. »Also, das nenne ich einen ungewöhnlichen Anblick«, murmelte Coulter.
»Unglaublich«, pflichtete Vanessa ihm bei.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Seth.
»Zunächst einmal«, antwortete Oma ungehalten, »hast du offiziell Hausarrest.«
KAPITEL 11
Verrat
K endra saß neben Seth auf dem Sofa, den Ellbogen auf eine Armlehne und das Kinn auf die Hand gestützt. Seitdem Hugo Seth vor Ollock gerettet hatte, herrschte beklommene Anspannung im Haus. Opa hatte über Büchern gebrütet und Telefonanrufe gemacht. Vanessa und Coulter waren mehrfach gekommen und wieder gegangen, häufig in Begleitung von Hugo. Es wurden viele gedämpfte Gespräche hinter geschlossenen Türen geführt. Jetzt wurde es langsam spät, aber Oma hatte ihnen gesagt, dass sie alle sich wegen einer Angelegenheit zusammensetzen wollten, die nicht bis zum Morgen warten konnte. Das war kein gutes Zeichen.
Kendras größter Trost bestand darin, dass sie nicht an Seths Stelle war. Sein unerlaubter Streifzug in den Wald hatte ihn beinahe das Leben gekostet. Der Gedanke daran, was um ein Haar geschehen wäre, hatte alle mit Angst und Schrecken erfüllt, und er musste sich einiges deswegen anhören. Zweifellos würde er bei der bevorstehenden Zusammenkunft noch mehr zu hören bekommen.
Tanu, der in einem Sessel neben Seth saß, zeigte ihm Tränke und erklärte ihm, was sie bewirkten und wie er die Flaschen markierte, um sie voneinander zu unterscheiden. Einzig Tanu, der erst vor kurzem von einer ganztägigen Exkursion zurückgekehrt war, hatte darauf verzichtet, Seth zu tadeln. Stattdessen schien der Samoaner fest entschlossen, ihn von seinem Elend abzulenken.
»Dieser hier ist für einen Notfall«, sagte Tanu gerade. »Es ist ein Vergrößerer und macht mich groß genug, um mit einem Oger zu ringen. Die Zutaten für Vergrößerer sind extrem schwer zu finden. Ich habe nur eine einzige Dosis, und wenn ich sie aufgebraucht habe, werde ich mir kaum eine zweite mischen können. Schrumpfen ist einfacher. In jeder dieser kleinen Phiolen befindet sich eine Dosis, die dich achtmal kleiner macht. Ich war am Ende knapp unter zwölf Zentimetern groß. Nicht besonders hilfreich in einer Rauferei, aber nicht schlecht, wenn man unentdeckt bleiben möchte.«
Coulter und Vanessa saßen an entgegengesetzten Enden eines antiken Sofas. Dale hatte sich einen Hocker hingestellt, den er aus einem Nebenzimmer geholt hatte. Oma rollte Opa herein und nahm in dem letzten freien Sessel Platz.
Opa räusperte sich. Tanu verstummte und legte die Tränke zurück in seinen Beutel. »Um gleich zur Sache zu kommen, wir haben wahrscheinlich einen Verräter unter uns, deshalb dachte ich,
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