Die Gesellschaft des Abendsterns
dasaß. Sie hatte ihn selten so still und reuig gesehen. Es schien, als würde er am liebsten im Sofa versinken und verschwinden.
»Was können wir tun?«, fragte Tanu.
»Ollock der Vielfraß wird nicht Halt machen, bevor er Seth verschlungen und verdaut hat«, antwortete Opa. »Ollock zu erschlagen, liegt weit jenseits unserer Macht. Wir haben einen Verbündeten, der meinte, es gebe vielleicht eine Möglichkeit, den Dämon zu unterwerfen, aber wir konnten ihn bisher nicht erreichen. Der Vielfraß hat bereits eine Größe erreicht, die ihm gestattet, so ziemlich alles zu verschlingen, was er will, und sein Appetit wird nicht abnehmen. Wir können nicht müßig herumsitzen. Die Gefahr wächst buchstäblich von Minute zu Minute.«
»Wir müssen davon ausgehen, dass unser Verbündeter irgendwo unterwegs ist«, sagte Oma. »Er ist eine sehr begehrte Zielscheibe der Gesellschaft. Wir werden weiter versuchen, ihn telefonisch zu erreichen, und annehmen, dass er sich uns zur Seite stellen wird, sobald er kann. Anderenfalls sind wir nicht sicher, wie wir ihn finden können. Er zieht zu oft um.«
»Wie lange wird es dauern, bis Ollock stark genug wird, um sich über den Vertrag hinwegzusetzen?«, fragte Vanessa.
Opa zuckte die Achseln. »Bei der Art von Beute, die er in Fabelheim findet — magischer wie nichtmagischer –, liegen die Dinge besonders ungünstig. Er wird viel schneller wachsen, als er das in der normalen Welt tun würde. Er muss Hilfe gehabt haben, um seine gegenwärtige Größe zu erreichen, wahrscheinlich von diesem Christopher Vogel. Meine Vermutung? Ein Tag, wahrscheinlicher zwei, vielleicht drei. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es viel länger dauern wird.«
»Vielleicht solltet ihr mich einfach an ihn verfüttern«, sagt Seth.
»Rede keinen Unsinn«, erwiderte Oma.
Seth stand auf. »Wäre das nicht besser, als zuzulassen, dass Ollock ganz Fabelheim zerstört? Es klingt so, als würde er mich früher oder später sowieso bekommen. Warum sollte ich zulassen, dass er auch noch euch alle bekommt?«
»Wir werden einen anderen Weg finden«, erklärte Coulter. »Ein wenig Zeit bleibt uns noch.«
»Er wird mich fressen müssen, um an dich heranzukommen«, sagte Dale. »Ob es dir gefällt oder nicht.«
Seth setzte sich wieder, und Opa deutete mit dem Zeigefinger auf ihn. »Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um voreilige Schlüsse zu ziehen. Wir haben noch nicht mit dem weisesten unserer Verbündeten gesprochen. Seth, ich wiederhole, du trägst nicht die Schuld daran, dass du Ollock geweckt hast. Du wurdest überlistet und trägst keine Verantwortung dafür. Du hättest nicht alleine draußen im Wald sein sollen. Das war eine überaus törichte Fehleinschätzung, genau die Art von Unsinn, von der ich gehofft hatte, dass du sie inzwischen abgelegt hättest. Trotzdem bist du weit davon entfernt, ein Todesurteil zu verdienen. Da die Satyre damit zu tun hatten, nehme ich an, du hast ihnen Batterien verkauft. Ich habe noch gar nicht gefragt: Was haben sie dir gegeben?«
Seth senkte den Blick. »Ein bisschen Gold.«
»Kann ich es sehen?«
Seth ging seine Notfallausrüstung holen. Er nahm den Goldbarren heraus, und Opa untersuchte ihn. »Mit diesem Ding in deiner Tasche solltest du dich besser nicht draußen erwischen lassen«, sagte er.
»Warum nicht?«, fragte Seth.
Opa gab Seth den Barren zurück. »Das hier wurde offenkundig aus Neros Hort gestohlen. Was hast du gedacht, wofür das ›N‹ steht? Er wird mit seinem Sehstein danach Ausschau
halten. Tatsächlich könnte die Gegenwart des Goldes ihm die Macht geben, selbst bis in unser Haus zu sehen. Die Satyre müssen es erst vor kurzem gestohlen haben, sonst hätte Nero es sich bereits zurückgeholt.«
Seth legte sich eine Hand über die Augen und schüttelte den Kopf. »Wann werde ich jemals etwas richtig machen?«, stöhnte er. »Soll ich den Barren in den Wald werfen?«
»Nein«, antwortete Opa. »Du solltest ihn auf die Veranda legen, und wir werden ihn, sobald irgend möglich, seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben.«
Mit einem niedergeschlagenen Nicken verließ Seth den Raum. »Wir haben aber auch ermutigendere Neuigkeiten«, sprach Opa weiter. »Coulter ist heute ein wichtiger Durchbruch gelungen. Wir könnten nahe dran sein, die Reliquie zu entdecken, nach der wir gesucht haben. Die jüngste Enthüllung passt zu den Informationen, die wir bereits haben. Angesichts unserer momentanen Lage glaube ich, dass es klüger ist,
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