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Die Gesellschaft des Abendsterns

Die Gesellschaft des Abendsterns

Titel: Die Gesellschaft des Abendsterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Mull
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ihn sofort jeder Möglichkeit beraubte, sich zu verteidigen. Er mühte sich, aufzustehen und seine Hand hochzuhalten.
    Er hatte es gerade bis auf die Knie geschafft und versuchte, ein Bein zu heben, als eine zweite Woge der Furcht über ihm zusammenschlug, mächtiger noch als die erste, viel stärker als der Trank, den Tanu ihm gegeben hatte. Das Medaillon an seinem Hals löste sich auf und verdunstete in der kühlen Luft. Vage und distanziert registrierte Seth, dass die Taschenlampe auf dem Boden lag und Coulter zitternd auf Händen und Knien kauerte. Die Furcht wurde stetig und unbarmherzig stärker.
    Seth brach endgültig zusammen. Er lag auf dem Rücken. Der Zauberstab blieb über seinem Kopf, umklammert von einer erstarrten Faust. Sein ganzer Körper war gelähmt. Er versuchte, nach Coulter zu rufen. Seine Lippen zuckten, aber kein Laut kam heraus. Er konnte kaum denken.
    Das hier war noch schlimmer als die Furcht vor dem Tod. Der Tod wäre ein willkommenes Geschenk, wenn dadurch nur dieses Gefühl aufhören würde, diese unkontrollierbare Panik, die sich mit der düsteren Gewissheit vermischte, dass etwas Böses immer näher kam, etwas, das es nicht nötig hatte, sich zu beeilen, etwas, das nicht so freundlich sein würde, ihn sterben zu lassen. Die Angst war mit Händen greifbar, erstickend, unüberwindbar.
    Seth hatte sich das Ende seines Lebens immer viel heroischer vorgestellt.
     
    Kendra schreckte aus dem Schlaf hoch. Im Zimmer war es dunkel und still. Sie wachte nicht oft mitten in der Nacht auf, aber sie fühlte sich seltsam munter und drehte sich um, um zu Seth hinüberzuschauen. Sein Bett war leer.

    Kendra fuhr hoch. »Seth?«, flüsterte sie und ließ den Blick durch den Raum wandern. Keine Spur von ihrem Bruder.
    Wo konnte er sein? Hatte der Verräter ihn entführt? Hatte er sich Ollock geopfert? Hatte er sein Gold genommen und war aus Fabelheim geflohen? Vielleicht war er auch nur gerade auf der Toilette. Sie beugte sich vor und schaute unter sein Bett, wo er seine Notfallausrüstung aufbewahrte. Sie war nicht mehr da.
    Kendra rollte sich aus dem Bett. Sie sah gründlicher nach und suchte unter beiden Betten. Keine Notfallausrüstung. Kein gutes Zeichen. Was zum Teufel hatte er nun schon wieder vor?
    Kendra knipste die Lampe an, eilte zur Treppe und lief schnell hinunter. Vanessas Zimmer war am nächsten. Kendra klopfte leise an, dann öffnete sie die Tür. Vanessa hatte sich unter ihren Decken zusammengerollt. Kendra versuchte, nicht an die unheimlichen Kreaturen zu denken, die überall im Raum verteilt in ihren Käfigen hausten. Sie schaltete das Licht ein und ging zu Vanessas Bett.
    Vanessa lag auf der Seite, Kendra zugewandt. Sie war vollkommen reglos, nur ihre Augenlider flackerten wild. Kendra wusste aus der Schule, dass REM-Schlaf ein Zeichen dafür war, dass der Schlafende gerade träumte. Der Anblick war unheimlich, das Gesicht ganz schlaff, während die geschlossenen Augen krampfhaft zuckten.
    Kendra legte Vanessa eine Hand auf die Schulter und schüttelte sie. »Vanessa, wachen Sie auf, ich mache mir Sorgen um Seth.« Die Augenlider flackerten weiter. Vanessa zeigte keine Anzeichen, dass sie Kendra spürte oder hörte. Als sie Vanessa ein zweites Mal schüttelte, geschah wieder nichts. Kendra zog eines von Vanessas Augenlidern hoch. Das Auge war zurückgerollt, weiß und blutunterlaufen. Kendra machte einen Satz nach hinten. Der Anblick jagte ihr Angst ein.

    Auf dem Nachttisch stand ein halbvolles Wasserglas. Kendra zögerte nur einen winzig kleinen Moment. Es war ein Notfall. Sie goss Vanessa das Wasser ins Gesicht.
    Keuchend und prustend richtete Vanessa sich auf, eine Hand auf die Brust gepresst, die Augen weit aufgerissen. Sie wirkte nicht nur erschrocken, sondern beinahe paranoid. Mit fliegendem Blick schaute sie um sich und war sichtlich desorientiert. Dann bemerkte sie Kendra. »Was tust du da?« Sie klang ärgerlich und verwirrt. Wasser tropfte von ihrem Kinn.
    »Seth ist verschwunden!«, sagte Kendra.
    Vanessa saugte keuchend Luft ein. »Verschwunden?« In ihrer Stimme lag kein Ärger mehr, sondern nur noch Sorge.
    »Ich bin aufgewacht, und er war fort«, erklärte Kendra. »Genauso wie seine Notfallausrüstung.«
    Vanessa schwang die Beine aus dem Bett. »Oh nein, ich hoffe, er tut nichts Übereiltes. Entschuldige, wenn ich etwas schroff geklungen habe; ich hatte einen schrecklichen Albtraum.«
    »Schon in Ordnung. Ich entschuldige mich dafür, dass ich Sie nassgespritzt

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