Die Gesichter der Zukunft
Worten spannte Grant unwillkürlich seinen Körper und dachte: Jetzt kommt es.
Aber nichts kam.
Einauge Smith machte eine lässige Armbewegung zu dem großen Kuppelbau, der neben drei kleineren in einem geschützten Winkel des Felsenkessels stand.
»Wie an der Oberfläche«, erklärte er stolz. »Alle Bequemlichkeiten. Den Jungs gefällt es hier unten. Ein guter Ort zur Entspannung. Die modernsten Einrichtungen. Wir haben es gemütlich.« Er wandte sich zu Grant. »Ich wünschte, Sie könnten eine Weile bei uns bleiben«, sagte er, »aber ich nehme an, Sie möchten zurück.«
»Äh – ja, natürlich«, stammelte Grant verdutzt. »Der Chef wird mich erwarten.«
Aber irgend etwas war faul. Grant wußte nicht zu sagen, was. Kein verräterisches Wort, keine drohende Handlung. Nichts in der Atmosphäre. Überhaupt nichts – nur, daß Einauge Smith ihn haßte. Der Mann würde ihn nicht aus diesem Kessel fortgehen und an die Oberfläche zurückkehren lassen. Grant hielt seinen Atem an und wartete auf das dicke Ende. Aber es gab kein dickes Ende. Smith führte ihn zwischen den Gebäuden herum und ließ ihn hineinsehen, plauderte liebenswürdig über alte Zeiten in New York, über das Gefängnisleben auf Ganymed, erzählte eine Klatschgeschichte aus der Unterwelt. Und zuletzt streckte er ihm die Hand hin. »Besuchen Sie uns mal wieder«, sagte er. »Jederzeit. Sie können dann auch über Nacht bleiben, denn es ist eine weite Fahrt. Aber jetzt sollten Sie sich lieber auf den Weg machen.« Und zum ersten Mal glaubte Grant einen Unterton von Warnung und Spott herauszuhören.
»Danke«, sagte Grant unbehaglich. »Und – ah – leben Sie wohl.«
Einauge Smith trat in die Schleusenkammer, dann wandte er sich noch einmal um, wie einer, der etwas vergessen hat. »Übrigens,« sagte er lächelnd, »Ihr Fahrzeug werden Sie hier stehenlassen müssen. Meine Leute sind angewiesen, es einzubehalten.«
»Hören Sie, Smith!« rief Grant entsetzt. »Wenn Sie mich umbringen wollen, nehmen Sie die Waffe und machen Sie es kurz!«
»Aber Mr. Nagle«, sagte der andere mißbilligend. »Wo denken Sie hin? Wir sind zivilisierte Menschen, nicht war? Ihr Anzug hat einen Sauerstoffvorrat für drei oder vier Stunden. In dieser Zeit können Sie sich vielleicht etwas ausdenken, um Ihr Leben zu retten. Ich gebe Ihnen eine Chance, sehen Sie? Das ist mehr als Sie mir gaben, Sie dreckiger kleiner Zeitungsschmierer.« Er schloß die Luftschleuse.
Grant stand wie gelähmt, während wilde Überlegungen durch seinen Kopf schossen. Höchstens für vier Stunden Luft. Das waren Stunden weniger als nötig wären, um zu Fuß die nächste Station zu erreichen – die einzige, die er kannte. Wäre die Kuppel des alten Gus noch intakt, so gäbe es kein Problem, denn er konnte den Platz in der verfügbaren Zeit leicht erreichen. Vielleicht gab es andere Kuppeln, die nicht viel weiter entfernt waren, aber er hatte keine Ahnung, in welcher Richtung er sie zu suchen hatte.
Vier Stunden, dachte er. Zeit genug, den Spuren zurück zu Gus’ ehemaliger Behausung zu folgen. Wenn er den Anzug mit Höchstgeschwindigkeit marschieren ließ, könnte er es in zwei Stunden schaffen.
Die Maschinerie des Venusiers war kaum einen Kilometer von dort entfernt – eine Viertelstunde zu Fuß. Und vielleicht konnte er ein Stück Wegs abschneiden. Zwei Stunden hin – zwei Stunden für den Rückweg.
Als er losmarschierte, fragte er sich grimmig, was ein Dutzend Krüge mit Flußsäure, von oben in den Felsenkessel geworfen, ausrichten würde. Er schmunzelte, als er sich vorstellte, wie er einen Krug nach dem anderen von der Felskante in die Tiefe schleuderte, wie sie einer nach dem anderen auf der leuchtenden Kuppel weit unten zerschellten, und wie die grünlichgelbe Flüssigkeit über das Quarzglas kroch. Seine Zeit würde ausreichen. Er würde zusehen, wie die Kuppel unter dem gewaltigen Druck des Tiefenwassers einstürzte. »Wir werden zusammen gehen, Smith«, keuchte er. »Du wirst noch von mir hören! Ich werde eine Nachricht für dich haben – in Krügen!«
Aber vielleicht machte er sich nur etwas vor. Vielleicht bedurfte es mehrerer hundert Liter von dem Zeug, um das dicke Panzerglas anzugreifen. Oder vielleicht würden die Krüge irgendwo in den Felsen zerschellen oder liegenbleiben, bevor sie ihr Ziel erreichten.
Ein dünnes Zischen vom Sauerstoffventil riß Grant aus seinen Spekulationen. Sein Blick ging zu den beiden Sauerstoff-Manometern, und was er sah, war wie ein
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