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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amma Darko
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Kiosk auf die Spur kommen wollen. Ein Leichnam, ein Straßenmädchen, eine Organisation. Eine heilige Dreifaltigkeit, so simpel und gleichzeitig so komplex wie die des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gestern abend bekam ich einen sehr nützlichen Anruf. Ich lasse jetzt eine wichtige Katze aus dem Sack, damit der Schuldige weiß, daß wir ihm ganz dicht auf den Fersen sind. Wir tragen so viel zusammen, daß der Schuldige, wenn es zur Anklage kommt, sich nicht mehr herauswinden kann. Wir sind einer linkshändigen Person auf der Spur. Sehr wahrscheinlich einem linkshändigen Mann. Für weitere Hinweise sind die Telefone jetzt freigeschaltet. Rufen Sie uns an.»
    Abraham Lincoln? Baumwollmuster? Vor zwei Tagen hatte Kabria ihre Linkshändertheorie entwickelt und gestern erst hatte Sylv Po diese Hypothese bekanntgemacht. Hätte es da nicht bei Dina und auch bei den anderen «Klick» machen müssen?
    Dina fuhr fort, das Paket auszuwickeln. Später sollte sie sich fragen, ob etwas mit ihrer Nase nicht stimmte, schließlich war sie nicht erkältet gewesen. Kabria, die neben ihr stand, hatte als erste die Nase gerümpft, gefolgt von Vickie, die sofort anfing zu schnuppern. Und auch Aggie rümpfte, schnupperte, rümpfte wieder, bis Dina zurückwich und zur Toilette rannte, wo sie das beleidigende Paket hinein warf. Dort gehörte es ohne Frage auch hin.
    In der nächsten halben Stunde beobachteten alle besorgt Dina, die sich im Stile von Lady Macbeth die Hände rang, im endlosen Bemühen, sich vom «Blut» reinzuwaschen. Sie wusch zunächst ihre Hände mit parfümierter Seife, dann kamen ihr Bedenken, das Parfüm in der Seife versiegele womöglich den «Duft» nur, ohne die Hände wirklich zu reinigen. Also wusch sie sie erneut mit neutraler Seife. Dann spülte sie die Hände mit Desinfektionsmittel, doch dessen Geruch erinnerte sie an den Geruch des Päckchens, also ließ sie WC-Reiniger über den Handrücken laufen und wiederholte den Akt des Händeringens weitere fünf bis zehn Minuten. Dann spülte sie das Reinigungsmittel ab und wusch sich die Hände zum letzten Mal mit parfümierter Seife. Danach rief sie Sylv Po an.
    «Wir haben gerade ein Paket voller Scheiße bekommen», berichtete sie.
    «Wir haben gerade einen merkwürdigen anonymen Anruf bekommen», erwiderte dieser.
    Die Anruferin hatte behauptet, das tote Mädchen zu kennen. Sie widersprach der Anruferin vom Vortag. Vielmehr handele es sich bei dem toten Mädchen um Baby T.
    Ein Redakteur nahm diese Information entgegen.
    «Kennen Sie auch den Mörder?» fragte er sarkastisch.
    «Mit dem linkshändigen Mann sind Sie auf der richtigen Spur.»
    «Warum sollten wir Ihnen glauben?» fragte der Redakteur.
    «Ich bin diejenige, die ein weißes Huhn geschlachtet hat. Dort, wo Baby T gefunden wurde.»
    Sylv Pos Mitarbeiter horchte auf. «Und warum haben Sie das getan?» rief er.
    «Um ihren Geist zu besänftigen», erwiderte sie mit ruhiger Stimme und legte leise auf.

KAPITEL 21
     
     
     
    Poison lief mit acht Jahren von zu Hause fort. Zu Hause, das war ein zwei mal vier Meter großes Zimmer in einem Compound im Zentrum von Accra, das er sich mit seiner Mutter, seinem Stiefvater und fünf Geschwistern teilte. Er war ein extrem schüchterner Junge, er sprach wenig und mit leiser Stimme. Sein Stiefvater hatte ihm durch jahrelanges Züchtigen mit dem Ledergürtel Respekt beigebracht und brüstete sich damit auch noch vor anderen. Seiner Mutter blieb nichts anderes übrig, als hilflos zuzuschauen. Einmal hatte sie versucht, dazwischenzugehen, und bekam sogleich selbst den Gürtel zu spüren.
    Vom ersten Tag an auf der Straße geriet Poison in schlechte Gesellschaft. Innerhalb von wenigen Tagen beherrschte er die Kunst des Diebstahls von Autoradios. Er war ein fleißiger Dieb, der immer davonkam und somit immer selbstbewußter wurde und der bald davon überzeugt war, das Leben auf der Straße zu beherrschen. Aber je länger er scheinbar oder tatsächlich die Straße beherrschte, desto mehr beherrschte die Straße ihn. Nach drei Jahren Radiodiebstahl wurde es Poison langweilig. Auf der Suche nach Abwechslung traf er ein Mädchen, das sechs Jahre älter war als er. Sie hatte ein Zimmer in einem Bordell, das sich mitten in einer Reihe von heruntergekommenen Häusern verbarg. Sie machte ihn zu ihrem Boten, und für ihren «Supervisor» erledigte er die Botengänge gleich mit. Das bedeutete häufig nichts anderes, als die Mädchen einzuschüchtern und bei ihnen

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