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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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vorn.
    Endlich sah sie etwas. Ein riesiger Stuhl, verhängt mit blauem Tuch, erhob sich vor der Wand. Darauf saß ein Mann. Es konnte nur der Kaiser sein. Rock und Mantel leuchteten wie ein prächtiges Gefieder im Sonnenschein, gehalten von einem edelsteinbesetzten Riegel. Wie schwer musste dieser Stoff mit den vielen Steinen sein! Dem Fall nach zu urteilen, sehr schwer. Sie konnte sich kaum sattsehen an dem aufwendig bestickten Mantel in Gold und Rot, einem wunderbaren, glänzenden, satten Rot - ihr stockte der Atem. Das musste ein Purpur sein.
    Wann war ein e junge Näherin wie sie jemals in die Nähe eines Purpurs gekommen?
    Nur mit Mühe riss sie sich von den prächtigen Stoffen los und hob den Blick. Eine schwere Krone lastete auf dem Kopf des Kaisers, und darunter loderten rote Locken. Anna schluckte. Die Augen waren kaum zu sehen, aber da wandte Friedrich den Kopf und spähte in ihre Ecke. Blau, das gleiche Blau wie ihr Kleid, das gleiche Blau wie auf der Zeichnung. Er war der Mann von dem Bild. Und er war der Mann auf dem schwarzen Pferd im Wald.
    Alles fügte sich zusammen. Sie hatte den Kaiser im Wald gesehen. Der Reiter war ein Mitglied des kaiserlichen Gefolges gewesen, wer sonst hätte sich einen so prachtvollen Stoff leisten können?
    Anna zog den Kopf zwischen die Schultern. War es klug, sich hier in den Vordergrund zu drängen? Was, wenn der Kaiser sie wiedererkannte und seinem Gefolgsmann davon berichtete? Anna mochte den Kaiser nicht mehr ansehen; vielleicht erkannte er sie nicht, wenn sie nicht hinsah. Ihr Blick wanderte zur Seite, über die Lehne hinweg, über den goldenen Stab, den Brokat ...
    Sie zuckte zusammen. Wanderte mit den Blicken langsam an der Brust des Mannes hinauf, der neben dem Thron stand, über seinen Hals, zum Gesicht mit dem Bart und den Augen, aus denen Pfeile hervorzuschießen schienen.
    Es war der Reiter, den sie ausgelacht hatte, er stand wahrhaftig neben dem Kaiser, und er starrte sie an. Starrte sie einfach nur an.
    Anna schaffte es nicht, den Kopf zu senken. Wie gelähmt starrte sie zurück. Der Augenblick dehnte sich zu einer dunklen Ewigkeit, leuchtend bestickt mit den rasenden Schlägen ihres Herzens. Endlich wandte der Mann den Kopf und widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Verhandlung. Anna brach der Schweiß aus.
    Der Mann räusperte sich und sprach dann mit klarer Stimme.
    „Heinrich, König von Deutschland , der Kaiser geruht dich anzuhören.“
    D er Gefangene fiel auf die Knie.
    „Eure Majestät - Vater! Ich komme als Bittsteller. Nehmt meine Unterwerfung an und gewährt mir Vergebung für meine Sünden. Nach alter Väter Sitte.“
    Den Kopf noch immer gesenkt, harrte der König auf den Knien aus. Wieso sagte er Vater? War denn ein Kaiser auch Geistlicher? Anna fühlte sich am ganzen Körper seltsam taub. Bestimmt hatte sie sich getäuscht, und der Reiter aus dem Wald hatte gar nicht sie angesehen - vielleicht stand ein wichtiger Mann in ihrer Nähe, der seine Blicke auf sich gezogen hatte …
    Eine andere Stimme erhob sich, angenehm, klar und voll. Annas Kopf ruckte hoch. Der Kaiser sprach.
    „Ich kann dir abermals vergeben, allerdings sollten diesmal Taten folgen.“ Der Kaiser schlug den Mantel über den Thronrand, sodass das wundervolle Futter gänzlich sichtbar wurde, lehnte sich zurück und erteilte einen Wink mit der Hand, bevor er weitersprach. „Petrus, trag ihm die Bedingungen vor ...“
    „Der Kaiser wird der Bitte um Vergebung nachkommen, wenn Heinrich, Herrscher des Regnum teutonicum , die Burg Trifels mitsamt dem lebenden und unbelebten Inventar, insbesondere mit den Reichsinsignien ...“
    Petrus hie ß er also, der Mann aus dem Wald. Anna seufzte. Hätte sie nur Gewissheit gehabt, dass er sie nicht wiedererkannt hatte ...
    König Heinrich sprang auf und tat einen Schritt auf den Thron zu. Umgehend stellten sich die Wachen in den Weg und kreuzten ihre Speere.
    „Was? Nein! Das hieße doch, die Königswürde abzulegen.“ Heinrich fiel wieder auf die Knie. „Vater! Mein Volk, meine Untertanen brauchen mich.“
    Die Stimme des Kaisers klang barsch. „Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du dich gegen mich verschworen hast, bevor du die Fürsten gegen mich aufgehetzt hast, bevor du deine vollmundigen Gelübde aus Cividale umgestoßen hast.“
    Das Gesicht des Kaisers war beinah e so rot wie der Mantel.
    „Ohne Taten ist deine Unterwerfung genauso viel wert wie die vor drei Jahren: nichts.“
    Heinrich erhob sich und streckte die

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