Die Gewandschneiderin (German Edition)
„Was machst du da?“, fragte sie. Sie sah leidlich sauber aus und wirkte wohlgenährt, wie Anna erfreut feststellte.
„Etwas ganz Besonderes“, flüsterte sie geheimnisvoll, „eine Puppe!“
„Oh!“ Die Kleine hüpfte aufgeregt von einem Beinchen auf das andere. „Für wen ist die Puppe?“
Anna schob die Stofffigur vorsichtig durch das kleine Loch, das sie im Bein gelassen hatte. Die Puppe war jetzt gewendet, aber immer noch ganz platt.
„Sie ist für einen Engel. Ich bin furchtbar hungrig, und wenn der Herr mir einen Engel mit einem Stück Ziegenkäse und Brot schicken würde, dann könnte ich dem Engel dafür etwas zurückgeben - die Puppe“, schmeichelte Anna.
„W …wir haben Ziegenkäse. Und Brot!“, rief die Kleine.
„Das klingt, als seist du vielleicht der Engel. Du musst allerdings deine Mutter fragen, ob sie etwas entbehren kann“, sagte Anna. Ohne ein weiteres Wort flitzte das Mädchen davon.
Anna befühlte das Gras gestrüpp vom letzten Jahr und seufzte erleichtert. Es war trocken und würde als Füllung der Puppe nicht so rasch schimmeln. Mit beiden Händen rupfte sie eine Handvoll aus und zerpflückte es in kleine Stücke, die durch die enge Öffnung passten. Sie hatte gerade den letzten Stich genäht, als das Mädchen an der Hand der Mutter zurückkam. Anna biss den Faden durch und stand auf.
„Was hast du meiner Tochter da erzählt, von Engeln und Käse?“
„Liebe Frau, ich bin sehr hungrig, ebenso mein kleiner Begleiter. Vielleicht bist du so freundlich und tauschst Käse und Brot gegen dieses Spielzeug?“
Sie hielt der Frau die Puppe hin. Es war kein Meisterwerk, aber sorgfältiger genäht als die meisten Puppen, die die Frau bislang wohl zu Gesicht bekommen hatte.
„Sie hat kein Gesicht“, wandte die Frau ein.
„Ich könnte der Puppe eins machen, während ihr das Essen holt“, bot Anna eifrig an.
„Bitte, Mutter!“, flehte das Mädchen.
Die Züge der Frau wurden weich, sie strich dem Kind über das Haar. „Komm, Hilde, wir holen etwas zu essen als Tausch gegen die Puppe.“
Begeistert hüpfte Hilde neben der Mutter her.
Die beiden waren schnell wieder da, und die letzten Stiche fertigte Anna unter den aufmerksamen Augen der Frau.
„Wo soll´s denn hingehen?“, fragte Hildes Mutter.
„Ich suche einen Platz auf einem Fuhrwerk, damit ich schneller vorwärtskomme.“
Anna warf einen sehnsüchtigen Blick auf den Wagen der Frau.
„Vielleicht könnte ich sogar bei euch ein Stückchen mitfahren ...“
„Gern, aber wir sind fast am Ziel. Wir wollen zum Markt in Oldenburg und machen hier nur wegen der Ziege Rast - sie soll satt und zufrieden wirken, wenn wir sie verkaufen.“
Anna drückte Hilde das Spielzeug in die Hand, nicht ohne die Puppe um die Taille zu fassen und zu wackeln, als wäre das Machwerk lebendig. Hilde jauchzte.
Die Frau reichte Anna ein großes Stück Brot und ein kleineres Stück Käse. Sogar ein Streifen Speck war dabei!
Trotz der Aussicht auf das köstliche Mahl war Anna enttäuscht. „Schade, ich muss genau in die andere Richtung.“ Sie ließ den Kopf hängen. „Trotzdem danke.“
„Frag doch den Korbflechter, der will in die Richtung, aus der wir kommen“, riet Hildes Mutter.
„Hat er eine Frau?“, erkundigte sich Anna und merkte im selben Augenblick, wie seltsam die Frage klang. Ihre Wangen überzogen sich mit flammender Röte.
„Wie meinst du das? Suchst du etwa einen Mann?“, feixte die Frau.
„Nein, ich … vielleicht … kennt ihr den Korbflechter? Wäre ich sicher bei ihm aufgehoben?“, forschte Anna.
Hildes Mutter musterte das junge Mädchen mitleidig. „Wohl schlechte Erfahrungen gemacht, hm? Nun, er fährt oft die gleiche Strecke, ich hab noch keinen etwas Schlechtes über ihn sagen hören.“
Anna atmete erleichtert auf. „Dann versuche ich es. Danke für den Speck.“
„Gott sei mit dir“, verabschiedete sich Hildes Mutter. „Gott sei mit dir“, plapperte ihr die Kleine nach.
Von so vielen guten Wünschen beflügelt, verschlang Anna die Hälfte der Mahlzeit und fütterte auch den Welpen. Den Käse konnte er beißen, aber der Speck war ihm zu fest. Anna kaute einen Brocken vor und hielt ihm den Brei auf der Fingerspitze vor das Schnäuzchen. Begierig leckte er alles auf.
Ein Wagen rumpelte vorbei. Der Korbflechter! Anna sprang auf und rannte hinterher.
„ Halt, Korbflechter, warte, halt!“, rief sie.
Und tatsächlich, das Fuhrwerk kam zum Stehen, noch auf dem Wendeplatz. Ein schmales
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