Die Gewürzhändlerin
und hat wahrscheinlich nicht alle Vollmachten. Deshalb musste ich ein paarmal auf den Wein von Ulrich Thal zurückgreifen. Der alte Pfeffersack hat sich fast überschlagen, sage ich Euch, und mir anfangs einen Preis genannt, von dem ich bis dahin nur träumen konnte. Natürlich hat Thal ein Geschäft gewittert. Aber ich versichere Euch, Johann, jetzt, wo Wied wieder im Lande ist, werde ich meinen Wein auch wieder bei ihm einkaufen. Ich finde, das gehört sich einfach so, nicht wahr, Carissima?»
Luzia trat noch einen Schritt näher an die Tür.
«Aber natürlich», antwortete eine weibliche Stimme, offenbar die der angesprochenen Carissima, der Gemahlin des Ratsherrn von Ders. «Herr Wied ist ein so angenehmer Mensch.» Sie räusperte sich, es klang verlegen. «Wenngleich man ja sagen muss, dass der Arme vom Schicksal hart gestraft ist mit diesen ganzen Brandnarben. Und keine Ehefrau an seiner Seite. Nun ja, wen wundert es?» Sie hüstelte. «Aber ganz gewiss hat er es verdient, dass man ihm die Treue hält; da hast du ganz recht, mein Lieber. Es heißt ja, er habe seinem älteren Bruder in Italien geholfen, das geerbte Fernhandelskontor wiederaufzubauen. Man erzählt sich, der verstorbene Onkel habe in den letzten beiden Jahren die Zügel allzu sehr fahrenlassen und sei für Ratschläge seines Neffen nicht zugänglich gewesen.» Sie schwieg kurz und fügte dann hinzu: «Mancher Mann wird ja leider im Alter starrsinnig, nicht wahr?»
«Nun, wie dem auch sei», mischte sich nun Elisabeth ein. «Ich freue mich zu hören, dass Martin Wied endlich wieder heimgekehrt ist.»
«Und er scheint dort in Italien gute Geschäfte gemacht zu haben», erzählte von Ders. «Wie mir berichtet wurde, ist er mit einer ganzen Handelskarawane – vier vollbeladene Wagen und sage und schreibe zwölf bewaffnete Reiter – heute Mittag von Lahnstein herübergekommen …»
Ein Geräusch hinter ihrem Rücken ließ Luzia zusammenfahren. Erschrocken drehte sie sich um und sah sich dem alten Schultheißen Hermann Hole von Weis gegenüber, der sie mit seinen stechend grauen Augen und unbewegter Miene musterte. Lediglich eine winzige Falte zwischen seinen Augenbrauen ließ auf seinen Unmut schließen, sie beim Lauschen erwischt zu haben.
Luzia stieg vor Schreck und Verlegenheit das Blut ins Gesicht. Sie wollte etwas sagen, fand aber erst beim zweiten Anlauf ihre Sprache wieder. «Verzeihung, Herr. Ich wollte nicht … Ich stehe Euch im Weg. Ihr wart auf dem Abtritt, ja? Ich … gehe schon. In meiner Lampe fehlt das Öl …»
Da er noch immer nichts sagte, knickste sie leicht und hastete beinahe im Laufschritt in die Küche. Sie stieß die Tür zur Speisekammer auf, schlüpfte hindurch und blickte sich rasch um. Natürlich war ihr der Schultheiß nicht gefolgt, weshalb auch? Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, vor Scham hätte sie sich am liebsten irgendwo versteckt. Was musste dieser hohe Herr nun von ihr denken? Und was, wenn er sich bei Elisabeth über sie beschwerte? Würde sie für ihre Neugier womöglich von ihrer Herrin bestraft werden? Zwar bestand zwischen ihnen eine innige Freundschaft, aber ganz sicher würde Elisabeth es nicht tolerieren, dass Luzia so einfach die hohen Gäste belauschte.
Es dauerte eine Weile, bis sich Luzias rasender Herzschlag wieder etwas beruhigt hatte. Ein wenig zittrig füllte sie ihre Lampe aus dem Ölkrug auf, verstöpselte diesen wieder ordentlich und schlich dann, so rasch es ging, zurück in ihre Kammer. Kurz blickte sie auf das aufgeschlagene
Liber Abbaci
und das Rechenbrett auf ihrem Tisch. Die Lust an mathematischen Denkaufgaben war ihr gründlich vergangen.
Rasch zog sie ihr Kleid aus, schlüpfte unter ihre Decke und löschte das Licht.
* * *
«Ah, Herr Hole, da seid Ihr ja wieder», begrüßte Johann den Schultheißen, als dieser die Stube betrat. «Hat Wilbert Euch den Weg zum Abtritt beleuchtet?»
Hermann Hole nickte nur und setzte sich wieder auf seinen Platz.
Elisabeth lächelte ihm zu. «Sagt, habe ich da eben Luzias Stimme gehört? Habt Ihr sie draußen getroffen?»
Der Schultheiß neigte leicht den Kopf. «Eure Leibmagd, meint Ihr? Ja, ich traf sie vor der Tür. Sie schien auf dem Weg zu sein, ihre Öllampe aufzufüllen.»
«Was, Eure Magd hat eine eigene Lampe?», wunderte sich Carissima von Ders. Sie war schon einige Jahre jenseits der vierzig, aber noch immer eine ausgesprochen gutaussehende Frau. Ihre zu Schnecken geformten braunen Zöpfe steckten in silbernen Haarnetzen, ihre
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