Die Gewürzhändlerin
Haut war glatt wie die einer jüngeren Frau. Lediglich um die Mundwinkel hatten sich ein paar Fältchen eingegraben, die davon zeugten, dass die Frau des Ratsherrn gerne und viel lachte. Jetzt schien sie eindeutig verwundert. «Ist das nicht ein wenig … nun ja, übertrieben? Ich hätte meine Magd um diese Zeit auch längst zu Bett geschickt, damit sie am Morgen ausgeruht ihre Arbeit verrichten kann.»
Elisabeth nickte ihr freundlich zu und erklärte: «Luzia ist …» Sie zögerte und warf Johann einen kurzen Blick zu, den dieser mit einem fast unmerklichen Schulterzucken erwiderte.
Er wusste natürlich um die tiefe Freundschaft zwischen Elisabeth und ihrer Magd und war auch in das Geheimnis um das silberne Kruzifix eingeweiht. Dass seine Frau Luzia unter ihre Fittiche genommen, ihr Lesen und Schreiben und einiges an höfischem Benehmen beigebracht hatte, fand er zwar ein wenig übertrieben, wollte sich jedoch darin nicht einmischen. Wenn Elisabeth aus ihrer Freundin und deren Bruder mehr machen wollte, als diese von Geburt her waren, sollte sie es seinetwegen tun, solange niemand dabei zu Schaden kam.
«Luzia ist mehr als eine Leibmagd», fuhr Elisabeth schließlich fort. «Sie ist eine gute Freundin und besitzt deshalb in unserem Haushalt einen besonderen Status.»
«Ach?» Carissimas Neugier war geweckt. «So lebt sie also schon lange bei Euch? Eine treue Seele? Ich wünschte, ich hätte auch eine zuverlässige Leibmagd. Hach, aber die meisten Mädchen, die man bekommen kann, sind entweder dumm wie Stroh oder schwatzhaft, neugierig und unerträglich. Sagt, wie habt Ihr sie gefunden? Seid Ihr mit ihren Eltern bekannt?»
Elisabeth antwortete das, was sie auf solche Fragen immer sagte: «Sie ist Waise seit der großen Pestilenz.» Auch diesmal geschah das Erwartete: Carissima schlug erschrocken die Hand vor den Mund und begann sogleich mit einer Tirade über die scheußliche Pest und die bedauernswerten Opfer derselben. Damit war Elisabeth zunächst von weiteren Ausführungen über Luzias Herkunft enthoben.
Carissima konnte sich kaum beruhigen, erst nach einer Weile kam sie wieder auf den Ursprung des Gesprächs zurück. «Dann habt Ihr also eine gute Tat getan, Frau Elisabeth, indem Ihr das Mädchen in Eure Dienste nahmt. Sie hat Ihre Eltern verloren? Die gesamte Familie gar? Wie grausam.» Einen Moment lang blickte Carissima noch traurig in eine unbestimmte Ferne, dann hellte sich ihre Miene jedoch schlagartig auf. «Aber wisst Ihr, wenn es sich so verhält und Ihr derart große Stücke auf das Mädchen haltet, warum habt Ihr sie dann nicht heute Abend mit an unsere Tafel geladen? Ihr meint doch dieses entzückende rothaarige Geschöpf, das vorhin beim Auftragen der Speisen geholfen hat, nicht wahr? Ich würde sie ausgesprochen gerne einmal näher kennenlernen. Und gewiss ist es für uns fromme Christenmenschen nur recht und billig, wenn wir uns der armen Waisen annehmen. Wer weiß, vielleicht ergibt sich ja etwas … Besitzt das Mädchen eine Mitgift? Als Bürgerstochter hat sie doch bestimmt … Oder war es eine eher arme Familie? Möglicherweise findet sich ja ein braver Mann für sie, ein Handwerker vielleicht? Hannes, mein Guter.» Sie wandte sich an ihren Gemahl. «Kennen wir nicht eine ganze Reihe von angesehenen Männern, deren Söhne für das Mädchen in Frage kämen? Selbst wenn ihre Mitgift nicht groß ist, könnte man doch versuchen …»
«Carissima, meine Liebe», unterbrach von Ders die überschwängliche Rede seiner Frau und tätschelte gutmütig ihre Hand. «Eben noch hast du dich beschwert, wie schwierig es sei, eine gute Leibmagd zu finden. Vielleicht möchte Frau Elisabeth sich ja nur ungern von dem Mädchen trennen, was unvermeidlich wäre, wenn sie heiraten würde.»
«Ach ja, verzeiht mir.» Carissima senkte verlegen den Blick. «Natürlich wollte ich Euch nicht überreden, das Mädchen herzugeben. Vor allem nicht, wenn sie Euch so ans Herz gewachsen ist. Und in Eurem Haushalt hat sie es ja gewiss sehr gut.»
Von Ders lachte leise. «Carissima findet große Freude daran, Ehen zu stiften. Seit wir unsere Tochter mit dem guten Werner Sack verheiratet haben, sind Ihr die Opfer für ihre Verkupplungsversuche ausgegangen, fürchte ich. Und bis unsere Enkel ins heiratsfähige Alter kommen, wird es wohl noch lange dauern. Also stürzt sie sich mit Leidenschaft auf jede sich bietende Gelegenheit.»
«Oh, schäm dich, Hannes. Wie kannst du mich nur so schlimm aussehen lassen? Das klingt
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