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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Kerl mit Glatze, blondem Vollbart und braun verfärbten Zähnen.
    Luzia trat näher. «Das bin ich.»
    «Ihr sollt reinkommen.»
    Rasch warf sie Anton und Alban einen kurzen Blick zu. Die beiden hatten sich unter dem vorkragenden Dach einer Remise auf den Boden gesetzt und warteten ebenfalls. Alban nickte ihr ermutigend zu.
    Entschlossen, sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen, folgte sie dem Wächter mit gestrafften Schultern und hocherhobenem Kopf ins Innere des Gefängnisturms.
    Sie wurde in eine kleine Schreibstube geführt, die sich gleich neben dem Eingang befand und in der Augusta bereits auf einem Schemel saß und leise schluchzte. Bei Luzias Eintreten sprang sie auf. «Luzia! O Gott, kommt und sagt diesen Männern sofort, dass sie uns glauben müssen!» Mit ihren Händen umklammerte sie Luzias linken Arm. «Sie müssen einfach. Mein Sohn ist kein Mörder!»
    «Mörder?» Erschrocken starrte Luzia die aufgelöste Augusta an, dann wandte sie sich an die beiden Männer, die sich bei ihrem Eintreten ebenfalls von ihren Stühlen erhoben hatten.
    Einer von ihnen war der Schöffe Richolf Zacharias, ein großer, schlanker Mann um die vierzig mit sauber gestutztem braunem Haar und Kinnbart, der andere hieß, soweit Luzia sich erinnerte, Marsilius Grelle. Er war Gerichtsschreiber; ein Mann von hagerer Statur und mit dünnem hellblondem Haar, das bis auf den Kragen seines Mantels reichte. Mit seinen stechend hellblauen Augen und der langen Hakennase wirkte er wie ein Raubvogel, der seine Beute beobachtete, bis er den rechten Moment fand, sich auf sie zu stürzen.
    Luzia war ihm erst ein- oder zweimal begegnet und hatte bisher mit ihm noch kein Wort gewechselt. Nun trat sie beherzt auf ihn zu, da er ihr am nächsten stand. «Was soll das heißen?», wollte sie wissen und war erleichtert, dass ihre Stimme nicht ebenso zitterte wie ihre Hände, die sie rasch ineinander verschränkte. «Wie kommt Ihr darauf, dass Martin Wied ein Mörder ist?»
    Neben ihr schluchzte Augusta wieder leise auf.
    «Das kann ich Euch sagen», antwortete Zacharias anstelle des Gerichtsschreibers und gab diesem gleichzeitig mit einer Geste die Anweisung, sich wieder zu setzen und Luzias Aussage niederzuschreiben. «Wie wir gestern durch einen Boten erfuhren, wurde am Dienstag der vergangenen Woche das in Mainz vor Anker liegende Handelsschiff
Ludwina
überfallen. Der Täter schlug den Kapitän nieder, erstach einen Mann der Schiffsmannschaft und raubte des Kapitäns Geldkassette sowie eine große Menge an wertvollen Gewürzen und anderen Spezereien.»
    Luzia atmete scharf ein. «Und warum glaubt Ihr, dass es Martin war, der dies getan hat? Das ist doch lächerlich. Die
Ludwina
ist sein Schiff! Weshalb sollte er es überfallen, wo doch die Waren darauf sowieso fast alle ihm gehören.»
    «Es gibt Zeugen, die Wied an jenem Tag gesehen haben, wie er das Schiff mit einem Bündel verließ. Kurz darauf hat er die Stadt verlassen und konnte leider nicht verfolgt werden, da niemand die Richtung kannte, in die er geritten war. Die Mainzer Schöffen schickten uns Nachricht, wir sollten ihn hier festsetzen, sobald er die Stadt betreten würde.»
    «Aber …» Verwirrt starrte Luzia den Schöffen an. «Nur weil Martin auf dem Schiff war, bedeutet das doch nicht, dass er … Jeder hätte sich auf die
Ludwina
schleichen können und …»
    «Nein, Jungfer Luzia, nicht jeder», unterbrach Zacharias sie. «Zwar befand sich der größte Teil der Besatzung zur fraglichen Zeit auf einem Landgang, genauer gesagt in einer Hafentaverne, jedoch waren zwei der Männer gerade wieder auf dem Rückweg, als sie Wied das Schiff verlassen sahen. Sie haben ihn an seinem Hut und Mantel sowie der Haarfarbe eindeutig erkannt. Auch von Brandnarben sprachen sie.» Einen Moment ließ der Schöffe seine Worte wirken. «Zunächst dachten sie sich nichts dabei, bis sie selbst das Schiff betraten und den verletzten Kapitän sowie den Toten dort vorfanden. Sie haben umgehend Alarm geschlagen, doch da war Wied bereits über alle Berge.»
    «Sprecht nicht so von meinem Sohn», fuhr Augusta erregt dazwischen. «Er ist ein guter Mann, kein Mörder. Die Zeugen irren sich! Ihr irrt Euch!»
    «Gute Frau, ich wünschte, es wäre so», sagte Zacharias mit einem mitleidigen Blick. «Aber wir müssen uns auf die Tatsachen stützen, und die besagen, dass Euer Sohn zur fraglichen Zeit am Ort des Geschehens war.»
    «Aber niemand hat gesehen, wie er den Mord oder den Raub begangen hat?»,

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