Die Gewürzhändlerin
dringend benötigt, aber nirgendwo zu bekommen scheint. Und ein Bote des Zollschreibers Heinrich Kempe war vorhin hier, um an die noch ausstehenden Zollzahlungen zu erinnern. Das könnte ich übernehmen, wenn du möchtest.»
Martin nickte ihm zu. «Tu das. Halt Kempe noch ein paar Tage hin. Spätestens übermorgen werde ich von Muskin die ersten Wechsel erhalten, dann können wir beginnen, unsere Außenstände zu bezahlen.»
«Dann hast du also tatsächlich einen Kredit bei dem Juden aufgenommen?» Konrad senkte beschämt den Blick und scharrte mit den Füßen. «Was, wenn wir das Geld nicht zurückzahlen können?»
«Für diese Frage ist es jetzt reichlich spät», fuhr Martin ihn an, bemühte sich dann jedoch, Ruhe zu bewahren. «Konrad, hör zu. Ohne Muskins Geld kommen wir jetzt nicht weiter. Möglicherweise hätte ich dich mit dem Geschäft nicht allein lassen sollen – aber was blieb mir denn für eine andere Wahl? Muskin ist ein guter, vertrauenswürdiger Mann. Und mit der
Ludwina
als Sicherheit können wir …»
«Du hast deinen Anteil an der
Ludwina
verpfändet?» Entsetzt starrte Konrad ihn an. «Das … das kannst du doch nicht machen! Wenn wir die
Ludwina
verlieren … Gibt es denn keine andere Möglichkeit?»
Martin verschränkte die Arme vor der Brust. «Doch, die gibt es, Konrad. Wir können Ulrich Thal unser Geschäft auch gleich in den gierigen Rachen werfen. Du hast die Waren, die ich mitgebracht habe, selbst abgeladen und dürftest daher genau einschätzen können, welchen Gegenwert in Gold sie besitzen. Muskins Geld ist das Polster, das wir jetzt benötigen, um unser Geschäft am Leben zu halten, bis wir unsere alten Kunden dazu bewegen können, wieder bei uns einzukaufen.» Abrupt wandte Martin sich ab und ging ins Haus.
Konrad blickte ihm unglücklich hinterher. Er war nicht zum ersten Mal Grund für den Unmut seines Bruders, doch diesmal wusste er, dass er Martins Zorn wirklich verdient hatte. Seufzend überlegte er, dass jetzt wohl der denkbar schlechteste Moment war, Martin seine Pläne für die Zukunft zu unterbreiten.
* * *
«So beruhige dich doch, Luzia!» Elisabeth legte ihrer aufgeregten Leibmagd einen Arm um die Schultern und brachte sie dazu, sich auf den Rand des großen Ehebettes zu setzen. «So schlimm ist die Sache doch gar nicht.»
«Nicht schlimm?» Luzia fuhr sich mit beiden Händen über ihre geröteten Wangen. «Herrin, wie stehe ich denn jetzt da? Herr Wied scheint schon eine Weile zu wissen, wer ich in Wahrheit bin. Ich kann ihm doch niemals mehr unter die Augen treten.»
«Das wirst du schon müssen, immerhin hat er dich für morgen Abend eingeladen.» Elisabeth hob rasch die Hand, um Luzias Protest Einhalt zu gebieten. «Hör zu, vermutlich hat Johann ihm von deiner Familie erzählt. Das finde ich ganz leicht heraus. Aber Herr Wied scheint dir den kleinen Schwindel nicht übelzunehmen, denn sonst hätte er sich längst öffentlich darüber beschwert. Viel interessanter finde ich die Frage, warum er darauf besteht, dass du uns morgen Abend zu ihm begleitest. Hat er nicht gesagt, was er mit uns zu besprechen hat?»
«Kein Wort.» Luzia presste die Lippen zusammen und ließ den Kopf hängen. «Ich gehe nicht mit. Auf gar keinen Fall gehe ich in sein Haus und ertrage seinen Spott.» Sie hob den Kopf zaghaft wieder etwas an. «Das könnt Ihr doch nicht von mir verlangen, Herrin, oder?»
Elisabeth seufzte und drückte sie kurz an sich, bevor sie aufstand und eines der großen Bettlaken von dem Tisch unter dem Fenster holte, um es auf dem Bett auseinanderzubreiten. «Zwingen werde ich dich nicht, Luzia. Aber bedenke, dass du dich dem Spott eher aussetzt, wenn du dich jetzt verkriechst. Eine Dame hält immer den Kopf hoch und den Blick gesenkt. Und sie beißt die Zähne zusammen, wenn es sein muss. Ich an deiner Stelle wäre sehr neugierig auf den morgigen Abend. Was auch immer Herr Wied uns zu sagen hat, ich glaube nicht, dass er dich damit beleidigen will. So ein Mann ist er nicht.»
«Das Kruzifix warnt mich vor ihm.»
«Was?» Elisabeth ließ die Enden des Bettlakens los, und es rutschte zu Boden. Rasch hob sie es wieder auf und legte es zurück aufs Bett. «Was meinst du damit – es warnt dich vor ihm?»
Luzia zog die Kette mit dem Silberkreuz unter ihrem Kleid hervor. «Ich sagte doch, dass es in letzter Zeit immer öfter summt und vibriert. Wenn Herr Wied in der Nähe ist, wird es noch schlimmer. Dann fühlt es sich auch ganz heiß an. Das muss doch eine
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