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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Petersilienstauden knien gesehen hatte. Erkannt hatte er sie sofort, obgleich sie ihm den Rücken zugewandt hatte. Diese rotgoldenen Locken vergaß man nicht so leicht. Luzia trug sie, ähnlich wie vor zwei Jahren, zu einer raffinierten Frisur geflochten und hochgesteckt, sodass der Kontrast zur weißen Haut ihres Nackens besonders gut zur Geltung kam. Das blaue Kleid mit den tiefen Höllenfenstern zu beiden Seiten, durch die man das hellgelbe, enggeschnürte Unterkleid sehen konnte, kam ihm bekannt vor. Er meinte sich zu erinnern, dass Elisabeth es vormals getragen hatte. Offenbar hatte sie es abgelegt und für Luzia ändern lassen: ein großzügiges Geschenk. Aber so wie er Elisabeth kannte, war es ganz sicher nicht das einzige gewesen. Sie schien tatsächlich Gefallen daran gefunden zu haben, ihre Leibmagd zu verwöhnen und herauszuputzen. Zu deren ganz offensichtlichem Vorteil, wie Martin zugeben musste. Das Kleid unterstrich Luzias schlanke, gleichwohl jedoch sehr weibliche Gestalt aufs vorzüglichste und veranlasste sicherlich jeden männlichen Betrachter, zweimal hinzusehen. Das aber war es nicht gewesen, was ihn vorhin so verwirrt hatte.
    Martin blieb stehen, um ein Ochsenfuhrwerk vorbeizulassen, das sich auf dem Weg in Richtung der Brücke befand, die von der Danne über den Graben zum Kornmarkt führte. Anschließend folgte Martin in einigem Abstand dem Gefährt, bis er sein Haus erreichte und betrat.
    Er war sich seiner sehr sicher gewesen, bis Luzia sich zu ihm umgedreht hatte. Dann war zweierlei passiert: Beim Anblick ihres zarten, herzförmigen Gesichts mit der frechen kleinen Stupsnase, auf der sich ein paar vereinzelte Sommersprossen tummelten, hatte er das Gefühl gehabt, als bekäme er einen Hieb in die Magengrube. Gleichzeitig hatte sich für einen flüchtigen Moment die Kette, die er um den Hals trug, so stark erhitzt, dass er noch jetzt ein leichtes Brennen auf der Haut verspürte. Beides zusammen hatte ihn vollkommen aus dem Konzept gebracht. Er hatte nicht vorgehabt, mit der Tür ins Haus zu fallen und ihr auf so plumpe Weise mitzuteilen, dass er von ihrer niederen Herkunft wusste. In dem Augenblick, da er die Worte ausgesprochen hatte, war ihm klar gewesen, wie sie auf sie gewirkt haben mussten – herablassend und geringschätzig. Damit hatte er nicht gerade die besten Voraussetzungen geschaffen, sie davon zu überzeugen, dass es sinnvoll sei, den Bund, den seine und ihre – und Elisabeths – Vorfahren vor über zweihundert Jahren geschlossen hatten, zu erneuern und zu pflegen.
    Martin selbst wusste erst seit zwei Jahren von dem Schwur. Er hatte an jenem Tag davon erfahren, an dem später der Bote mit dem Hilferuf seines Bruders in Koblenz eingetroffen war. Die Erinnerungen an jene Entdeckung tauchten wieder in Martins Bewusstsein auf. Wie damals blieb er nun vor der Tür zum Keller stehen, in dem hauptsächlich alte Möbel eingelagert wurden. Er war schon eine Weile nicht mehr in dem Gewölbe gewesen, das als einziges das Feuer damals unbeschadet überstanden hatte.
    Aus einem plötzlichen Impuls heraus holte er eine große Öllampe und stieg die steinernen Stufen hinunter. Es roch etwas muffig und nach Steinstaub. Kisten und Möbel waren auf der rechten Seite ordentlich gestapelt. Ein Lächeln trat auf Martins Lippen, als er die Bank mit der kleinen Schatztruhe erblickte, die noch genau so dastand, wie er sie als Junge vor vielen Jahren zurückgelassen hatte. Als Kind hatte er oft hier unten gespielt, und seine Mutter hatte nichts verändert. Wozu auch, wurde der Keller doch kaum genutzt, sah man einmal von den Mieten für Kohl, Rüben und Äpfel ab, die gleich neben der Treppe untergebracht waren.
    Er stellte die Lampe auf der Bank ab, klappte den Deckel der Truhe hoch und entnahm ihr die rotbraune Gugel, die er jahrelang jeden Winter getragen hatte. Sie war an den Rändern bereits arg ausgefranst. Darunter verbargen sich die Schätze, die er als Junge nach und nach zusammengetragen hatte: ein Messerchen, einige seltsam geformte Steine, ein Feuereisen, Zunder und einen Feuerstein, mehrere geschnitzte Holztiere und zuunterst ein leeres Leinenbeutelchen, das er nun vorsichtig hervorzog. Wie lange hatte er es schon nicht mehr in der Hand gehabt! Es hatte damals die silberne, mit roten und blauen Edelsteinen verzierte Kette enthalten, die er nun schon seit zwei Jahren als Talisman um den Hals trug.
    Er hielt die Kette ins Licht und betrachtete sie eingehend. Im Alter von acht oder neun

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