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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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rief eine dröhnende Männerstimme, begleitet von einem herannahenden Rumpeln. Ein riesiges Pferdefuhrwerk rollte die Danne herauf, hoch beladen mit Kisten und Fässern. Die Stimme gehörte einem bulligen Kerl, der dem Fuhrwerk vorausschritt, um den Weg freizumachen.
    Martin packte Luzia am Arm und zog sie rasch in eine Nische an der St. Florinskirche. Sie stolperte hinter ihm her und stieß gegen ihn, als er stehen blieb. Polternd rollte das Fuhrwerk an ihnen vorüber. Luzia musste sich dicht an die kalte Mauer drängen, damit sie nicht von aufspritzenden Steinchen getroffen wurde. Als das Gefährt vorüber war, atmete sie auf und merkte erst jetzt, dass Martin noch immer ihren Arm umfasst hielt. Verlegen blickte sie zur Seite. «Daran werde ich mich nie gewöhnen», murmelte sie.
    Martin ließ sie los. «Woran?», fragte er leise. Seine Stimme klang ähnlich verletzt wie am Vorabend.
    Rasch blickte sie ihm ins Gesicht. «An diese riesenhaften Gefährte. Findet Ihr solche Fuhrwerke nicht gefährlich? Sie können einen Mann einfach so überrollen; diese mächtigen Kaltblüter würden es vermutlich nicht einmal bemerken.»
    Martins angespannte Miene glättete sich; das Lächeln kehrte in seine Augen zurück. «Wie anders aber soll man große Mengen an Waren transportieren? Zumindest haben sie einen Ausrufer vorangeschickt. Nun kommt, ich möchte Alban ungern noch länger mit dem Stand allein lassen.»
    Da eines der Zugtiere direkt vor ihnen eine Spur aus Pferdeäpfeln hinterlassen hatte, streckte Martin den Arm aus, um Luzia zu führen. Sie zögerte nur einen Moment, dann ergriff sie seinen Arm und stützte sich darauf, während sie mit der anderen Hand ihre Röcke raffte und zwei große Schritte machte, um das Hindernis zu überwinden. Rasch ließ sie ihn wieder los und strich Kleid und Mantel glatt. Ihr Herz holperte unregelmäßig gegen ihre Rippen.
    «Danke», sagte sie gepresst. «Ich habe …» Sie brach ab und blieb stehen, sodass eine Frau hinter ihr beinahe gegen sie geprallt wäre und erbost zu schimpfen begann. Luzia hörte sie gar nicht. Wie gebannt starrte sie auf eine Stelle weiter vorne am Eingang zum Florinshof. Einen Mann hatte sie dort erblickt: groß, schlank, mit langem dunklem Haar, das im Nacken zu einem Zopf gebunden war. Sie hatte ihn nur ganz kurz und von hinten gesehen, dennoch wäre ihr Herz beinahe stehengeblieben.
    «Luzia, was ist mit Euch?» Besorgt blickte Martin sie an. «Ihr seid ganz blass geworden. Geht es Euch nicht gut?»
    Luzia schüttelte abwesend den Kopf, bemühte sich aber, sich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. «Nein, schon gut. Ich dachte nur gerade … Nein, es ist nichts.»
    «Ihr seht aus, als hättet Ihr einen Geist gesehen.» Prüfend schaute Martin sich um, konnte aber nicht ausmachen, was Luzias offensichtlichen Schrecken ausgelöst haben mochte.
    «Einen Geist?» Sie versuchte zu lachen; es klang etwas kläglich. «Nein, ein Geist war es gewiss nicht. Ich dachte nur, ich hätte einen Bekannten gesehen, aber das ist nicht möglich. Nein, die vielen Leute … Da kann man sich schon mal irren, nicht wahr?»
    «Wahrscheinlich.» Zweifelnd musterte Martin sie, als sie wieder losging. «Ihr seid sicher, dass es Euch gutgeht?» Er drehte sich zu Anton um, der ihnen still wie ein Schatten gefolgt war. «Gib auf deine Schwester acht, ja?»
    «Natürlich, Herr Wied.» Anton nickte mit ernstem Gesicht. Ihm war Luzias merkwürdiges Verhalten ebenfalls aufgefallen, aber er sagte nichts dazu.
    Beim Gewürzstand angekommen, überreichte Martin Luzia die Geldkassette und gab ihr noch ein paar kurze Anweisungen. Anschließend machte er sich auf den Weg zum Haus von Ulrich Thal in der Holzschuhergasse, die nur wenige Schritte vom Florinshof entfernt begann. Hinter dem Stand einer Hökerin hielt er jedoch noch einmal inne, kehrte um und ging gerade so weit zurück, dass er den Gewürzstand und Luzia dahinter sehen konnte, ohne selbst von ihr bemerkt zu werden. Er beobachtete, wie sie die Waren auf dem Verkaufsschragen neu anordnete und dabei mit Alban und Anton scherzte. Doch selbst aus dieser Entfernung konnte er die Anspannung in ihren Gesichtszügen erkennen. Was oder wen sie auch immer vorhin zu sehen vermeint hatte – es musste ihr einen gehörigen Schrecken eingejagt haben.
    Nachdenklich wandte Martin sich ab und ging erneut in Richtung Holzschuhergasse. Dabei betrachtete er sinnierend seine verunstaltete rechte Hand. Hatte sie sich seine gestrige Mahnung zu

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