Die Gewürzhändlerin
überlagert vom Gekläff einiger Straßenköter, die sich um einen Knochen balgten, den sie offenbar irgendwo stibitzt hatten.
«Stimmt was nicht, Luzia?» Anton stieß sie unsanft in die Rippen und veranlasste sie damit, ihre Erinnerungen endgültig beiseitezuschieben.
Verlegen lächelte sie ihren Bruder an. «Tut mir leid, Tünn. Was hast du gesagt? Ich war in Gedanken.»
«Das hab ich gesehen. Was ist mit dir los? Dauernd starrst du in die Luft und benimmst dich komisch.»
«Komisch?»
«Du hast doch was.» Aus Antons Stimme war deutlich Besorgnis herauszuhören.
Luzia legte ihm eine Hand auf den Arm. «Es ist wirklich nichts. Ich war nur in Gedanken; mache mir Sorgen um deine Zukunft. Du bist fast erwachsen, aber gelernt hast du nichts. Ich muss eine Lehrstelle für dich finden, damit du einmal einen Beruf ausüben kannst.»
Anton nickte, schien aber nicht ganz überzeugt von ihrer Antwort. «Vielleicht weiß Herr Wied ja einen Rat», schlug er vor.
Luzia hob erstaunt eine Braue. «Ich dachte, du magst ihn nicht.»
«Na ja, unheimlich ist er immer noch irgendwie.» Rasch senkte Anton seine Stimme, damit Alban nicht hören konnte, was er sagte. «Aber so schlimm, wie ich dachte, ist er auch wieder nicht.» Er zögerte kurz. «Er hat dir vorhin ganz schön aus der Patsche geholfen, oder? Uns», verbesserte er sich. «Was hättest du Frau Augusta geantwortet, wenn er nicht gerade in die Stube gekommen wäre?»
«Das weiß ich nicht, Tünn», gab sie mit einem Seufzen zu. «Ich fürchte, unter den gegebenen Umständen können wir unser Geheimnis nicht mehr lange für uns behalten.»
«Und was dann?»
«Ja, was dann?» Luzia wusste keine Antwort darauf.
* * *
«Ich habe Euch bereits erwartet», begrüßte Ulrich Thal Martin in seinem Kontor und bedeutete ihm, sich zu setzen. «Ich vermute, Ihr habt Euch meinen Vorschlag die
Ludwina
betreffend noch einmal durch den Kopf gehen lassen.»
«Das habe ich nicht», antwortete Martin kurz angebunden und erntete dafür ein überraschtes Stirnrunzeln des älteren Kaufmannes. «Es war nicht notwendig, da mein Entschluss feststeht. Ich konnte bereits mit allen anderen Teilhabern sprechen und denke, dass ich noch vor Weihnachten alleiniger Besitzer des Schiffes sein werde.»
«Ihr verrennt Euch, Wied.» Thal schüttelte mit finsterer Miene den Kopf, setzte dann aber wieder ein geschäftsmäßiges Lächeln auf. «Wie dem auch sei, ich bin überzeugt, Ihr werdet noch zur Vernunft kommen, mein Freund.» Er hielt kurz inne. «Da wir gerade von Vernunft sprechen: Was hat es mit dieser Frau auf sich, die neuerdings Euren Verkaufsstand führt? Niemand scheint sie zu kennen, aber sie rechnet schneller, als ich es jemals bei einem Mann erlebt habe. Außerdem scheint sie eine flinke Zunge zu besitzen.»
«Da habt Ihr ganz recht, Thal. Sie hat ein außergewöhnliches Talent. Warum sollte ich es mir nicht zunutze machen?»
«Ist sie eine Verwandte von Euch?»
«Nein. Sie ist Leibmagd im Haushalt des Grafen von Manten, der kürzlich das leerstehende Anwesen am alten Graben bezogen hat.»
«Eine Leibmagd? Fürchtet Ihr Euch nicht vor dem Gerede der Leute?»
«Warum sollte ich?» Martin neigte den Kopf zur Seite. «Sie ist meine Gehilfin für die Dauer des Jahrmarktes. Ihre und meine Familie sind seit langer Zeit …» – er zögerte – «… miteinander verbunden.»
«Ihr Vater erlaubt, dass sie sich unverheiratet für derartige Dienste einspannen lässt?»
Martins Miene verfinsterte sich. «Luzias Vater ist bei der großen Pest ums Leben gekommen, ebenso wie der Rest ihrer Familie. Und sie wird für keinerlei Dienste eingespannt, Thal. Wagt es nicht, etwas Derartiges auch nur anzudeuten!»
Thal verzog die Lippen zu einem dünnen Grinsen. «Ich deute gar nichts an. Was ich gesagt habe, ist das, was die Leute bald reden werden. Oder habt Ihr gar gewisse Absichten in Bezug auf die Jungfer?»
«Selbst wenn ich sie hätte, ginge Euch das gewiss nichts an.»
«So? Nun gut, dann darf ich also davon ausgehen, dass Ihr meinem Vorschlag offenen Ohres gegenüberstehen werdet.»
Martin hob misstrauisch den Kopf. «Was für ein Vorschlag?»
Thals Grinsen verwandelte sich in ein aalglattes Lächeln. «Ich dachte mir, unsere ständige Konkurrenz ist doch auf Dauer sehr ermüdend und wenig fruchtbar, findet Ihr nicht auch?»
Martin zögerte, weil er spürte, dass sein Gegenüber ihn aufs Glatteis zu führen versuchte. «Ein wenig gesunde Konkurrenz schadet nicht. Offene
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