Die Gewürzhändlerin
nachgeborenen Sohn zur Frau geben. Nichts gegen Euren Bruder, aber das geht nun wirklich nicht. Wie kommt Ihr überhaupt darauf, ihm den Vorrang zu geben? Ihr seid nach Eurem Bruder Bertholff der nächste Erbe des Hauses Wied. Also steht es auch nur Euch zu, Euch nunmehr zu vermählen. Ich bestehe darauf: Entweder nehmt Ihr Irmhild, oder ich werde mich nach einem anderen guten Mann für sie umsehen müssen.»
«Ich verstehe Euch sehr gut», erwiderte Martin ruhig. «Aber auch Ihr müsst einsehen, dass ich in meiner Familie keinen Unfrieden stiften will. Nicht wegen eines Weibes. Mein Bruder hat sich nun einmal Irmhild in den Kopf gesetzt, also bitte ich Euch, Eure Entscheidung noch einmal zu überdenken.»
«So ein Unsinn! Unfrieden – wenn ich das schon höre. Konrad ist noch jung! Er wird zu gegebener Zeit eine Frau finden, die ihm das Bett wärmt. Nein, mein Entschluss steht fest. Außerdem hat sich Irmhild schon darauf eingerichtet, Eure Braut zu werden. Sie freut sich schon sehr darauf.»
Martin überlegte kurz, ob er darauf eingehen sollte. «Neulich Abend hatte ich Gelegenheit, mit Irmhild zu sprechen», sagte er vorsichtig. «Sie schien von dem Gedanken an Konrad nicht vollkommen abgeneigt …»
«Ihr habt was? Das ist ja wohl die Höhe!» Thal funkelte ihn wütend an. «Setzt dem Kind nicht solche Flöhe ins Ohr, Wied. Sie wird Eure Braut, wenn Ihr sie nehmt. Ansonsten finde ich jemand anderen, der sie mir zu meinen Bedingungen abnimmt.»
Martin seufzte innerlich. «Wie Ihr meint, Thal. Ich werde noch einmal darüber nachdenken und mit meinem Bruder sprechen.»
«Tut das. Sagt ihm, dass er noch genügend Zeit hat, sich eine brave Jungfer zu suchen, wenn Ihr erst einmal dafür gesorgt habt, dass es einen Erben für Euer Geschäft gibt.»
Da er einsah, dass mit dem Konkurrenten nicht zu verhandeln war, verabschiedete Martin sich und verließ dessen Haus. «Komm, Anton, gehen wir!», rief er dem Jungen zu, der geduldig auf der Straße gewartet hatte. «Ich muss noch einmal kurz in mein Kontor, danach gehen wir zurück zum Florinshof.»
Zu Hause schloss er zunächst die Wechsel, mit denen seine Kunden ihn heute bezahlt hatten, in eine seiner Truhen. Anschließend gab er seinen Knechten noch ein paar Anweisungen, bevor er sich erneut auf den Weg machte. Mitten auf den Kornmarkt blieb er stehen. «Anton, lauf du schon mal zum Marktplatz vor und schau, ob du Luzia helfen kannst. Ich habe noch etwas zu erledigen.»
Anton nickte und rannte los. Martin wandte sich nach rechts in Richtung Fischmarkt und bog dann in die Kastorgasse ein. Mit etwas Glück würde er vielleicht Willem Leyen zu Hause antreffen. Mit ihm stand er noch immer in Verhandlung wegen dessen Anteil an der
Ludwina
.
* * *
Schon von weitem erkannte Luzia Rolands Gestalt. Er saß auf einem breiten Stein dicht am Moselufer. Einen Moment lang blieb sie stehen und betrachtete ihn still. Seine Schultern schienen in den vergangenen Jahren breiter und kräftiger geworden zu sein. Er hatte die Arme auf die Knie gestützt und blickte auf den Fluss hinaus. Sein langes schwarzes Haar trug er wie immer zu einem glatten Zopf gebunden. Ihr Herz weitete sich voll Wehmut. Wie lange waren sie getrennt gewesen!
Sie beobachtete, wie er nach etwas neben sich im Gras griff. Es war seine Flöte. Eine neue Flöte, die er sich wahrscheinlich geschnitzt hatte, nachdem er Kempenich verlassen hatte. Seine alte Flöte hatte er ihr damals zum Geschenk gemacht. Sie hütete sie in ihrer Kleidertruhe wie einen Schatz.
Roland setzte das Instrument an die Lippen und begann, ihm eine Melodie zu entlocken, die er Luzia einst unzählige Male vorgespielt hatte und die ihr jetzt beinahe das Herz brach.
Vorsichtig trat sie näher an ihn heran und sang leise: «Unter der Linden, an der Heide, da unser zweier Bette was …»
Das Flötenspiel brach abrupt ab. Roland erstarrte für einen Moment, drehte sich zu ihr um. Er blickte sie an, als ob er eine Erscheinung hätte; nur langsam stand er auf und setzte zum Sprechen an, doch er brachte kein Wort heraus.
Als sie dem Mann, den sie einst so sehr geliebt hatte, nun gegenüberstand, brachen all die lange verdrängten Gefühle wieder über sie herein. Tränen stiegen ihr in die Augen. Schweigend trat sie an ihn heran und umarmte ihn.
Roland zog sie fest in seine Arme und hielt sie, als wolle er sie nicht mehr loslassen. «Luzia», flüsterte er schließlich. «Bist du es wirklich, oder träume ich?»
Sie löste sich ein wenig von
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