Die Gewürzhändlerin
Blick mit seinem Bruder. «Willst du sie nicht alle begrüßen?»
Luzia schluckte an dem Kloß, der sich erneut in ihrer Kehle gebildet hatte, und atmete tief ein. «Natürlich, sehr gerne.» Während sie den beiden Brüdern zu der kleinen Wagenburg folgte, versuchte sie vergeblich, ihr rasendes Herz zu beruhigen.
Als Heinrich, der Anführer der Gauklertruppe, Luzia auf sich zukommen sah, erstarrte er für einen Moment. Dann glitt ein Strahlen über sein rundes Gesicht, und er sprang von dem umgedrehten Eimer auf, den er als Hocker benutzt hatte, und eilte auf sie zu. Er war ein kleiner, rundlicher Mann mittleren Alters mit schütterem braunem Haar, das inzwischen mehr graue Strähnen aufwies als noch vor drei Jahren. «Luzia! Luzia, bist du das wirklich? Das ist ja fast wie ein Wunder», begrüßte er sie mit seiner dröhnenden, volltönenden Stimme, die mühelos selbst die Zuschauer auf dem größten vollbesetzten Platz zum gespannten Schweigen bringen konnte. Er zog sie an sich und drückte sie fest an seine Brust. Dann trat er einen Schritt zurück. «Ei der Daus, was hast du dich verändert, Luzia! Hast du gar einen betuchten Ritter gefunden, der deinen Reizen erlegen ist?»
Luzia lachte. «O nein, Heinrich, wo denkst du hin? Ich bin nicht verheiratet, sondern …»
«Sie ist jetzt die Leibmagd der Gräfin Elisabeth und außerdem eine Gewürzhändlerin», erzählte Friedbert stolz. «Ist das zu fassen?»
«Eine Gewürzhändlerin?» Überrascht musterte Heinrich sie. «Das musst du uns aber ganz genau erzählen, Mädchen. Veit? Veit, wo steckst du? Komm her und schau, wer da ist!»
«Was denn, was denn? Weshalb macht ihr denn so einen Lärm?» Ein blonder Riese, der sogar Friedbert noch fast um Haupteslänge überragte, kam hinter einem der Wagen hervor. In jeder Hand trug er einen großen, randvoll mit Wasser gefüllten Eimer. Als er Luzias ansichtig wurde, stellte er die beiden Kübel überrascht ab. «Das gibt’s doch nicht! Die kleine Luzia!» Mit zwei langen Schritten war er bei ihr und wirbelte sie im nächsten Moment durch die Luft, sodass sie erschrocken aufschrie, dann aber erneut lachen musste. Rasch setzte er sie wieder ab. «Meine Güte, das ist aber eine Überraschung!», rief er. «Wie kommst du denn hierher?»
Luzia strich geschwind ihr Kleid glatt. «Um ehrlich zu sein, bin ich Friedbert gefolgt.»
«Was?» Friedbert blickte sie überrascht an.
«Ja, wirklich», bekräftigte sie. «Ich stand gerade am Pastetenstand neben der Liebfrauenkirche, als ich dich sah.» Zum Beweis deutete sie auf den Korb mit den beiden Pasteten, den sie inzwischen neben dem Feuer abgestellt hatte. «Das heißt, ich war mir nicht ganz sicher; deshalb bin ich dir einfach gefolgt.» Erst jetzt erinnerte sie sich daran, dass Alban auf sie wartete und sich gewiss inzwischen große Sorgen um sie machte. «Ich fürchte, ich muss zurück», sagte sie. «Man wartet auf dem Florinshof auf mich und …»
«Einer von uns wird dich begleiten», bestimmte Heinrich. «Überhaupt sollte ein Mädchen wie du nicht alleine durch die Stadt laufen. Schon gar nicht, wenn so viel Gesindel unterwegs ist.» Streng sah er ihr ins Gesicht, doch dann lachte er. «Aber verflucht, wenn du das nicht getan hättest, hätten wir ja nie erfahren, dass es dir jetzt so gutgeht! Sag …» Er brach ab und blickte sich um. «Wo steckt eigentlich Roland? Luzia, willst du nicht wenigstens noch Roland begrüßen? Er wird außer sich sein, wenn er dich sieht. Er, ah …» Zögernd rieb er sich das Kinn. «Es war nicht leicht für ihn die erste Zeit nach unserem Fortgang von der Burg. Er … Na, vielleicht erzählt er dir das lieber selbst.»
«Er sitzt unten am Fluss», berichtete Veit. «Übt auf der Flöte, wie immer.» Er deutete vage auf eine Stelle hinter dem Lager. «Soll ich dich hinführen, Luzia?»
Luzia hätte beinahe sein Angebot angenommen, doch dann schüttelte sie den Kopf. «Ich finde ihn schon allein.» Unsicher machte sie zwei Schritte vorwärts, wandte sich dann noch einmal zu Heinrich um. «Geht es ihm gut?»
«So kann man sagen.» Heinrich lächelte ihr aufmunternd zu. «Geh schon, Mädchen. Er wird sich freuen, dich zu sehen.»
Luzia nickte etwas beklommen und machte sich auf den Weg in Richtung Moselufer.
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12. Kapitel
D as kommt ja gar nicht in Frage, Wied! Wie stellt Ihr Euch das denn vor?», polterte Ulrich Thal aufgebracht. «Ihr seid derjenige, der … Ich werde meine Tochter nicht einem
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