Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Gilde der Diebe

Titel: Die Gilde der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
Vom Netzwerk:
Freundin hängen davon ab, dass wir diesen Stein finden. Du bist hier der einzige, der weglaufen könnte. Wo auch immer du hingehst, wir folgen dir.«
    Carnegie rieb sich die Wange vor Unbehagen.
    »Das gefällt mir nicht.«
    »Mir auch nicht«, sagte Raquella ernst. »Aber so muss es nun mal sein. Seid ihr bereit?«
    Das Dienstmädchen wickelte ihren Schal eng um ihre Schultern und überquerte die Straße. An der Eingangstür des »Tintenfisch-Clubs« hielt sie kurz mit nach vorne geneigtem Kopf inne, dann drückte sie die Türklinke und betrat das Gebäude. Carnegie und Jonathan hasteten hinter ihr her. Sie standen vor einer Treppe. Hinter ihnen fiel die Tür mit einem dumpfen Geräusch wie der Deckel eines Sarkophags ins Schloss. Raquella begann, die Stufen hinaufzusteigen.
    »Warte«, rief der Wermensch plötzlich. »Die Luft da oben sorgt dafür, dass man sich komisch fühlt. Bedeckt euren Mund mit euren Ärmeln und versucht, nicht zu tief einzuatmen. Wir gehen, wenn ich es sage, und bleiben keine Minute länger, als wir unbedingt müssen, verstanden?«
    Jonathan und Raquella nickten ernst und bedeckten ihre Münder. Der Wermensch seufzte.
    »Also, weiter. Bringen wir es hinter uns. Und dieses Mal gehe ich voraus, junge Dame.«
    Der Raum im Obergeschoss war eine Ode an die Lethargie. Im schummrigen Kerzenlicht lagen mehrere Männer mit geschlossenen Augen und herunterhängenden Armen bewegungslos auf abgenutzten Sofas. Wohlhabend aussehende junge Männer im Smoking, mittelalte Geschäftsmänner, zerlumpte Obdachlose, sie alle waren dort in der Stille vereint. Auf kunstvollen orientalischen Bildern wanden sich rote und grüne Drachen umeinander. In der Luft hing ein penetranter süßlicher Duft. Selbst durch seinen Jackenärmel hindurch vernebelte der stechende Geruch Jonathan dieSinne. Er umrundete langsam den schlaffen Körper eines maskierten Mitglieds des Kain-Clubs und drang tiefer in den Raum vor. Es kostete ihn viel Mühe, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er fühlte sich benommen, und die Wände und der Boden verschwammen. Vorsichtig betrachtete er die Gesichter um sich herum und bemerkte bei allen den gleichen verträumten Ausdruck. Carnegie und Raquella schwärmten aus, um ihren Suchradius zu erweitern, und pflügten vorsichtig durch das Meer der schlaffen Körper.
    Auf einem Sofa in einer Ecke des Raums lag ein untersetzter Mann, der völlig in sich versunken schien und sein Gesicht mit einem seiner kräftigen Arme bedeckte. Obwohl er Correllis Statur hatte, war Jonathan sich nicht sicher, ob es sich wirklich um den Feuerschlucker handelte. Er steuerte auf das Sofa zu und hob den massigen Arm des Mannes so vorsichtig wie möglich an. Sofort erkannte er das volle Haar und die dunkle Hautfarbe. In den wenigen Monaten, die seit ihrem letzten Aufeinandertreffen vergangen waren, war es mit Correlli sichtlich bergab gegangen. Seine Haut war vernarbt und von tiefen Furchen durchzogen und sein Atem roch nach abgestandenem Alkohol.
    Jonathan wollte gerade Carnegie heranwinken, als der Feuerschlucker die Augen aufschlug und ihn mit ausgestreckten Armen packte.

10
    Jonathan schrie auf und fiel rückwärts zu Boden, wobei er ungeschickt auf einem leblosen Körper landete. Correlli stürzte sich auf ihn und drückte ihm mit seinen schaufelartigen Händen den Hals zu. Jonathan rang nach Luft. Von der anderen Seite des Raums hörte er einen Aufschrei von Raquella, gefolgt von einem bestialischen Knurren. Schwarze Flecken breiteten sich in Jonathans Sichtfeld aus, und er spürte, wie seine Gliedmaßen erschlafften. Dann ertönte ein zweites Knurren, diesmal näher, und eine Wolke aus Fell und Klauen krachte gegen Correlli und schleuderte beide quer durch den Raum.
    Jonathan rollte sich hustend zur Seite und versuchte verzweifelt, seine Lungen mit Luft zu füllen. Zu spät erinnerte er sich an Carnegies Warnung, im »Tintenfisch-Club« nicht tief einzuatmen. Riesige Farbwolken explodierten vor seinen Augen, und der Raum fing an, sich um ihn zu drehen, bis er schließlich das Gefühl hatte, an der Decke zu kleben. Er wusste nicht, ob er weinen oder hysterisch lachen sollte.
    Irgendetwas zerrte an seinem Arm.
    »Jonathan, KOMM JETZT!«, rief eine weibliche Stimme. »Pass auf!«
    Er rappelte sich auf und versuchte, seine Umgebung zu erfassen. Zu seiner Linken befand sich das knurrende Knäuel, das aus Carnegie und Correlli bestand. Sie rollten über den Boden und ignorierten das widerwillige Stöhnen der Gäste, die

Weitere Kostenlose Bücher