Die Gilde der Schwarzen Magier - Die Novizin - The Magician's Guild 2: The Novice
begriff im gleichen Moment wie der Junge neben ihr, dass sie das Diagramm hätten kopieren sollen. Minutenlang zeichnete Sonea, so schnell sie nur konnte. Aber noch bevor sie mit ihrer Arbeit fertig war, hallte der Mittagsgong durch die Universität.
Lord Kiano trat vor die Klasse hin. »Ich möchte, dass ihr für die nächste Stunde die Namen der Pflanzen mit schleimlösender Wirkung auswendig lernt, die in Kapitel fünf aufgeführt werden. Jetzt dürft ihr gehen.«
Die Novizen erhoben sich und verbeugten sich vor dem Lehrer. Kiano kehrte an die Tafel zurück und machte eine knappe Handbewegung. Zu Soneas Entsetzen war das Diagramm im nächsten Moment bereits verschwunden.
»Wie viel hast du abgezeichnet?«
Sie drehte sich um. Der Junge stand neben ihr und reckte den Hals, um ihre Notizen zu sehen. Sonea drehte die Seite zu ihm um. »Nicht alles, aber es sieht so aus, als hättest du einige Dinge in deiner Zeichnung, die mir entgangen sind. Könnte ich... Wollen wir unsere Zeichnungen vergleichen?«
»Ja. Wenn... wenn es dir nichts ausmacht.«
Die anderen Novizen hatten bereits ihre Sachen eingepackt und verließen den Raum. Einige drehten sich noch einmal nach ihr um, vielleicht weil sie neugierig auf ihre neue Klassenkameradin waren. Sonea sah den Jungen an.
»Gehst du in den Speisesaal?«
Sein Lächeln verblasste ein wenig. »Ja.«
»Dann komme ich mit dir.«
Er nickte. Sie folgten dem Rest der Klasse in den Flur. Die Novizen hatten sich zu Paaren zusammengefunden, blieben aber insgesamt nahe beieinander. Keiner von ihnen machte Anstalten, Sonea zurückzuweisen.
»Wie heißt du?«, fragte sie den Jungen.
»Poril. Familie Vindel, Haus Heril.«
»Ich bin Sonea.« Sie dachte darüber nach, wie sie ihn in ein Gespräch verwickeln könnte. »Seid ihr alle seit dem letzten Winter hier?«
»Oh, alle bis auf mich.« Poril zuckte die Achseln. »Ich habe im vorletzten Sommer angefangen.«
Was bedeutete, dass Poril sich mit dem Lernen schwer tat. Sonea fragte sich, wo das Problem wohl liegen mochte. Möglich, dass er ein starkes magisches Potenzial besaß und dennoch Mühe hatte, den Lektionen zu folgen, andererseits könnte er auch einfach zu schwach sein, um die ihm zugewiesenen Aufgaben zu bewältigen.
Poril begann, von seiner Familie zu erzählen, von seinen Brüdern und Schwestern - sechs insgesamt - und von zahlreichen anderen persönlichen Dingen. Sie ermutigte ihn zum Weitersprechen, denn sie hatte Angst vor den unvermeidlichen Fragen, die sie selbst betrafen.
Als ihre neuen Klassenkameraden den Speisesaal betraten und zu einem der Tische hinübergingen, zögerte Sonea, aber Poril ließ sich ohne viel Aufhebens auf einen der Stühle sinken. Sonea setzte sich neben ihn und war erleichtert, dass die anderen dies ohne Protest akzeptierten.
Die Diener brachten die Speisen herein, und alle begannen zu essen und zu reden. Sonea hörte aufmerksam zu, während die anderen über Menschen sprachen, die sie nicht kannte, und über den Unterricht. Dennoch schienen sie sich ihrer Anwesenheit durchaus bewusst zu sein, und schließlich sah einer der Jungen sie direkt an.
»Du bist aus Regins Klasse, nicht wahr?«, fragte er und deutete mit der Hand auf einen der anderen Tische.
Soneas Magen krampfte sich zusammen. Ihre alte Klasse wurde also »Regins Klasse« genannt. »Ja«, gab sie zu.
Er gestikulierte mit seinem Besteck. »Soweit ich höre, haben sie dir das Leben ziemlich schwer gemacht.«
»Manchmal, ja.«
Der Junge nickte. »Nun, bei uns wird dir das nicht passieren. Wir haben keine Zeit mehr für dumme Spielchen. Du wirst hart arbeiten müssen. Bei uns geht es nicht mehr um Kontrollübungen.«
Die anderen Novizen nickten.
Sonea unterdrückte ein Lachen. Kontrollübungen? Er wusste offensichtlich nicht viel über sie… Oder irrte sie sich, und dies war lediglich eine raffiniertere Art von Schmähung, als sie sie bisher gekannt hatte?
Das Gespräch wandte sich anderen Themen zu. Sonea blickte verstohlen nach rechts, wo sie von einem Tisch in einiger Entfernung vertraute Gesichter beobachteten. Sie fragte sich, was ihre früheren Klassenkameraden wohl gedacht haben mochten, als sie an diesem Morgen nicht zum Unterricht erschienen war. Wahrscheinlich hatten sie damit gerechnet, dass sie an den Halbjahresprüfungen scheitern würde.
Es war harte Arbeit gewesen. Drei Monate waren vergangen, seit der Unterricht begonnen hatte, und in dieser Zeit hatte Sonea die Arbeit von sechs Monaten geleistet. Als
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