Die Gilde von Shandar: Die Spionin
sich den Finger in den Hals zu stecken, um ihm zu zeigen, was sie davon hielt, oder verbal die Peitsche zu schwingen. Doch sie beherrschte sich und ließ ihre Antwort trügerisch sanft ausfallen.
»Ah, die perfekte Frau, Lord Danar! Wie man so hört, wäre das in der Tat ein seltener Fund«, sagte sie und nahm die Gelegenheit wahr, um ihn herumzulaufen, als ob sie ein Tier auf dem Marktplatz begutachtete, obwohl sie eigentlich erneut die Leute um sie herum beobachten wollte. Danar erschwerte ihr ihre Aufgabe unnötig. »Ich bezweifle, dass ich in diese Kategorie passen würde«, fügte sie hinzu, nachdem sie ihre Runde beendet hatte.
»Tatsächlich? Auf was gründet sich diese Meinung?«, forschte Danar mit unverhohlener Neugier in der Stimme.
»Schlussfolgerungen. In der Vergangenheit wart Ihr bemerkenswert wählerisch, was Frauen angeht, Mylord. Ich könnte darauf hinweisen, dass viele von ihnen sich durch große physische Vorzüge auszeichnen, die ich nicht vorweisen kann. Die meisten von ihnen haben auch ein ähnliches Interesse, was ihre Stellung in der Gesellschaft angeht – heiraten und Kinder zu bekommen. Ich kann ganz ehrlich sagen, dass ich mit diesen Damen nicht viel gemein habe.«
Danar lachte über ihre Ehrlichkeit und ihre scharfen Beobachtungen. »Ganz sicher, Ihr seid anders. Aber das muss ja nicht unbedingt schlecht sein. Wer sagt denn, dass ich bisher nicht in der völlig falschen Kategorie von Frauen gesucht habe? Ihr seid attraktiv, alleinstehend und besitzt Verstand – warum sollte ich Euch nicht besser kennenlernen wollen?«
Femke kamen ein Dutzend scharfe Entgegnungen in den Sinn, doch als sie gerade den Mund öffnete, um ihm die Antwort zu geben, die sie unter diesen ausgewählt hatte, bemerkte sie aus dem Augenwinkel etwas, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Verzeiht, Lord Danar, ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber so gerne ich unser Gespräch fortsetzen würde, habe ich gerade bemerkt, dass Lord Kempten anwesend ist. Wenn Ihr mich bitte entschuldigen wollt, ich muss dringend etwas mit ihm besprechen, das keinen Aufschub duldet. Vielleicht können wir uns ein andermal treffen und unser Gespräch fortsetzen?«
Femke wünschte sich sofort, sie könnte diese Worte zurücknehmen. Warum hatte sie Danar die Möglichkeit geboten, sie aufzusuchen? Was hatte sie sich dabei nur gedacht?
»Nun … sicher. Wenn Ihr es wünscht«, erwiderte Danar völlig sprachlos. Er hatte geglaubt, einen guten Eindruck bei ihr gemacht zu haben, doch ganz plötzlich wies sie ihn ab. Was hatte er denn gesagt? Ihr Gespräch war harmlos gewesen, und im Vergleich zu dem Bild, das seine Freunde ihm von ihr vermittelt hatten, war sie ihm sehr herzlich vorgekommen. Jetzt konnte sie es auf einmal gar nicht abwarten wegzukommen. »Ihr beabsichtigt, jetzt Geschäfte zu machen, Mylady? Die Zeremonie wird gleich beginnen. Könntet Ihr nicht einfach …«
Aber Femke war schon ein paar Schritte entfernt und hielt nicht inne, um ihm zu Ende zuzuhören.
Lord Danars letzte Bemerkung über die Zeremonie war korrekt gewesen. Trompeten ließen eine feierliche Fanfare ertönen und verkündeten die Ankunft von Surabar. Außerdem kündigten sie das Nahen seiner bewaffneten Wache an. Eine lange Reihe Soldaten marschierte vor dem General durch die Türen bis zum Podium in der Mitte der großen Halle und schuf so einen Weg durch die Menge. Dabei teilte sich die Reihe ordentlich auf. Einer nach dem anderen verließen die Männer von vorne weg die Reihe und nahmen ihre vorbestimmte Position ein. Mit gekonnter, zentimetergenauer Präzision bildeten sie mit einer faszinierenden Zurschaustellung von Paradedrill zwei dichte, nach innen gerichtete Reihen. So schufen sie für den General einen drei Schritt breiten Gang, auf dem er entlangschreiten konnte.
»Nicht jetzt, Mylord, merkt Euch den Gedanken bis zu unserem nächsten Treffen«, rief Femke über die Schulter zurück und rauschte ohne auch nur die Andeutung eines Knickses davon. Ihre Augen waren fest auf Lord Kempten gerichtet, und sie betete im Stillen, dass sie zu ihm gelangen konnte, ohne seine Aufmerksamkeit zu erregen. Es war nicht sicher, ob er versuchen würde, Surabar zu töten, aber der kurze Blick, den sie auf sein Gesicht hatte werfen können, hatte ihr eine böse Vorahnung eingegeben. Sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, auf diese Instinkte zu vertrauen.
Femke befand sich auf der falschen Seite der Soldatenreihe, die sich zwischen ihr und ihrem
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