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Die Gilde von Shandar: Die Spionin

Die Gilde von Shandar: Die Spionin

Titel: Die Gilde von Shandar: Die Spionin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Robson
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Geistliche die würdevollen Formalitäten der Zeremonie verlas, dehnte sich die Zeit in Femkes Kopf aus, bis sie meinte, dass die Feierlichkeiten nie ein Ende nehmen würden. Dann schwieg er ganz plötzlich. Er bückte sich, um den einfachen Goldreifen des Kaisers aufzuheben, und setzte ihn Surabar unter gedämpftem Applaus auf den Kopf. Dann legte er ihm den königlichen Mantel, der in Shandar das eigentliche Symbol der Macht war, um die Schultern und schloss die Zierschnalle vor der Brust. Diesmal erklang der Beifall etwas stärker, wenn auch kaum stürmisch.
    Mit den Insignien seiner kaiserlichen Macht angetan, hielt Surabar eine kurze Rede, in der er eine verkürzte Darstellung des Betruges und Verrats des Hexenmeisters Vallaine lieferte. Der vorherige Kaiser hatte dummerweise auf Vallaines Rat gehört und ihm das Kommando über mehrere Legionen gegeben. Daraufhin hatte der Hexenmeister die große Armee nach Thrandor geschickt und behauptet, er kenne die Zukunft aus einer Vision. Er garantierte, dass die Armee die Hauptstadt Mantor einnehmen würde, vorausgesetzt, ein gewisser Lord Shanier würde die Streitkräfte von Shandar führen. Vallaine wollte zu seinen eigenen Zwecken Macht in Thrandor gewinnen, doch die Interpretation seiner Vision erwies sich als ungenau. Lord Shanier betrog ihn. Das Resultat war, dass die shandesische Armee niedergemetzelt wurde und Lord Vallaine in Ungnade fiel.
    Dann erzählte Surabar, dass Vallaine den wahren Kaiser heimlich ermordet und mithilfe von Zauberkraft sein Aussehen so verändert hatte, dass er seine Stelle einnehmen konnte, um die absolute Macht in Shandar insgeheim an sich zu reißen. Der Machtmissbrauch des Zauberers und seine unlauteren Absichten wurden kurz dargelegt, dann erläuterte Surabar, wie er gedachte, ein paar der Wunden ihrer Nachbarn, der Thrandorianer, zu heilen, die Vallaine ihnen geschlagen hatte.
    »Frieden«, sagte er bestimmt, »ist dem Krieg jederzeit vorzuziehen. Krieg sollte stets die letzte Möglichkeit sein, die nur dann angewendet wird, wenn alle anderen Mittel der Verhandlungen versagt haben. Als Soldat mit vielen Jahren Erfahrung kann ich mit Bestimmtheit sagen, dass ein Krieg einem Reich zwar gelegentlich zu neuem Territorium verhilft und andere Völker unterwirft, doch die Schmerzen und der Verlust, die mit der Erreichung dieser Ziele unweigerlich einhergehen, sind den Preis an Menschenleben nicht wert. Ich hoffe, dass meine Herrschaft als Kaiser diese Ansichten widerspiegeln wird und Shandar unter meiner Herrschaft als friedliches Reich blühen wird.«
    Der Rede folgte höflicher Applaus. Femke spürte, dass sich unter den Edelleuten einige befanden, die seinen Worten positiver gegenüberstanden, als sie zugeben wollten. Doch obwohl Surabar einen guten ersten Eindruck hinterlassen hatte, würde es mehr als ein paar Worte brauchen, um die unausweichlichen Versuche, ihm den Mantel wieder von den Schultern zu streifen, abzuwehren.
    Die Trompeten erklangen, als sich Surabar durch die Reihen seiner Soldaten hindurch zum Ausgang begab, die wiederum präzise ihre Formation als Marschreihe bildeten und gemessen hinter ihm aus der Halle schritten. Nachdem die letzten Soldaten die Große Halle verlassen hatten, steuerte Femke Lord Kempten hinter ihnen her. Doch anstatt auf dem Hauptgang in Richtung des offiziellen Ausgangs zu gehen, bugsierte Femke Kempten in einen Nebengang und dirigierte ihn ins Herz des Palastes. Sobald sie der Menge entkommen waren, versuchte sie, die Tür eines der Verwaltungsbüros des Palastes zu öffnen. Sie hatte Erfolg. Da sie davon ausging, dass alle Augen dem neuen Kaiser folgen würden, war kaum zu befürchten, dass sie gestört wurden.
    Im Büro bat Femke Lord Kempten, Platz zu nehmen, während sie selbst sich auf die Kante des Schreibtisches setzte. Durch die Höhe des Tisches konnte sie auf ihn herabsehen. Das war nur ein kleiner Vorteil, aber er vermittelte den Eindruck von Autorität. Während der Zeremonie hatte sie die Gelegenheit gehabt, sich einen Plan zu überlegen, daher kam sie sofort zur Sache. Die Wahrheit – zumindest ein Teil davon – würde ihre Aufgabe hier leichter machen.
    »Nun, Lord Kempten, lasst uns für den Moment alle Gedanken daran, wie wir einander verletzen könnten, beiseiteschieben, ja?«, bat sie und drückte den letzten Zahn in ihrem Kamm mit dem Daumen wie beiläufig zurück, woraufhin am anderen Ende mit metallischem Klang eine scharfe Nadelspitze hervorsprang. Es war gut, wenn er

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