Die Gilde von Shandar: Die Spionin
Kommandeur laut und deutlich, als der völlig unerwartete Vorstoß der verkleideten Feinde erfolgte. Es gab keine Sekunde des Zögerns. Wenn die Soldaten überrascht waren, so zeigten sie es nicht. Mit der gleichen Präzision wie während der Zeremonie sprangen Reynik und die anderen in V-Formation, bei der die verstärkte Spitze direkt auf den feindlichen Angriff gerichtet war. Zwischen den beiden Schutzreihen waren der Kaiser und der Oberste Geistliche sicher.
Es war eine ausgezeichnete Wahl, da die Formation die Angreifer sofort spaltete. Der Hauptstoß des Feindes glitt an der Spitze des Vs einfach ab. Innerhalb weniger Sekunden waren sie auseinandergerissen und trafen ohne ihre anfängliche Wucht auf die Verteidiger.
Reyniks Position lag an der Innenseite der linken Keilseite, die sich zur Außenmauer des Hauptgebäudes erstreckte. Dort konnte er nur seine Position halten, beobachten und abwarten, während die Masse der Angreifer sich auf die Außenseite des Keils stürzte. Seine Handflächen fühlten sich schweißfeucht an und sein Herz pochte beim Klirren der Waffen und den anschwellenden Kriegsrufen. Die Schreie der früh Verwundeten und Sterbenden hallten nervenzerreißend in der Luft. Er hätte nie gedacht, dass er seine erste richtige Schlachterfahrung ausgerechnet auf dem Areal des Kaiserpalastes sammeln würde.
Reynik war sich nicht sicher, ob er darauf hoffen sollte, mit dem Feind die Klinge zu kreuzen, oder dass die Angreifer abgewehrt werden würden, bevor er sich die Waffe blutig machen musste. Während sie unter der vollen Wucht des feindlichen Angriffs versuchten, ihre Positionen zu halten, stießen und drängelten die Soldaten heftig aneinander. Doch die Keilformation hielt stand und der Kaiser befand sich in ihrer Mitte in Sicherheit.
Instinktiv blickte Reynik über die Schulter zum Herrscher, um zu sehen, wie er auf diesen gewalttätigen Beginn seiner Herrschaft reagierte. Trotz des kaiserlichen Mantels wirkte Surabar von Kopf bis Fuß wie ein General. Mit gelassenem Gesichtsausdruck betrachtete er die Szene und hatte das Schwert gezogen, bereit, es zu benutzen. Keine Spur von Erschrecken oder Überraschung lag auf seinem Gesicht. Reynik konnte nur kühles, professionelles Interesse darin lesen.
Der Oberste Geistliche sah im Gegensatz dazu empört und entsetzt aus. Er presste den goldenen Zeremonienstab so fest an die Brust, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Der Anblick des verängstigten Geistlichen ließ Reynik lächeln, doch kaum hatten seine Mundwinkel zu zucken begonnen, als sein Gesicht erstarrte. Um die Ecke des Gebäudes, nicht weit von der nur spärlich verteidigten rechten Flanke, erschien eine weitere Gruppe von Männern, die zum Angriff stürmten. Die Gruppe war dicht gedrängt und wirkte alles andere als freundlich.
»Majestät!«, schrie Reynik und wies auf die anstürmenden Feinde. Sein Schrei war laut genug, die Aufmerksamkeit des Kaisers zu erringen, und Surabar wandte den Kopf in die Richtung, in die Reynik wies. Es blieb keine Zeit für einen Wechsel der Formation. Reynik wusste, dass er einen direkten Befehl missachtete, wenn er sich aus seiner Position im Keil entfernte, aber die rechte Flanke brauchte Unterstützung und die linke Flanke hielt auch ohne ihn stand.
Die neue Schar von Angreifern stürzte sich auf die rechte Flanke, drückte sie nach innen und durchbrach sie kurzzeitig. Eine kleine Gruppe von Feinden drang durch die Verteidigungslinie und ging auf den Kaiser los. Bevor sie ihn erreichen konnten, warf sich ihnen Reynik in einem wahnwitzigen Angriff entgegen. Ein spontaner Kriegsschrei entrang sich seiner Kehle, als er mit einem Hieb seines Schwertes die Klinge des führenden Angreifers abwehrte. Ohne an Schwung zu verlieren, senkte er die Schulter und warf sich mitten in die Gruppe, sodass die Körper auseinanderstoben wie Kegel.
Der unorthodoxe Gegenangriff ließ jedes Gefühl für Zusammenhalt bei den Feinden verfliegen. Bevor sie sich erholen konnten, hatte Surabar zwei von ihnen getötet. Seine flüssigen Schwerthiebe und raschen Bewegungen ließen sein Alter vergessen.
Reynik war mit dem führenden Kämpfer so hart zusammengeprallt, dass er sein Schwert verloren hatte. Als er aufstand, konnte er es nirgends entdecken. Daher sah er sich mehreren Schwertkämpfern mit nichts weiter als seinem Messer und seiner Zeremonialrüstung gegenüber, die ihn beschützte. Den Bruchteil einer Sekunde fragte er sich, ob er die kürzeste militärische
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