Die Gilde von Shandar: Die Spionin
Karriere in der langen Geschichte seiner Familie durchlaufen würde, doch dann gewann der Selbsterhaltungstrieb die Oberhand.
Mit rascher Bewegung zog Reynik sein Messer aus dem Gürtel und warf es auf den nächsten Gegner. Doch so schnell er auch war, sein Ziel war schneller. Der Mann sprang dem blitzenden Messer aus dem Weg, aber das störte Reynik nicht. Der Wurf hatte seinen Zweck als momentane Ablenkung erfüllt, und Reynik folgte dem Messer mit einem weiteren Hechtsprung durch die schmale Lücke zwischen den Feinden, die seine Klinge geschaffen hatte. Er hörte das Zischen in der Luft und spürte, wie eine Klinge an ihm abprallte, als er zwischen den beiden Männern hindurchtauchte. Doch der Schmerz blieb aus. Die Rüstung hatte die Klinge abgewehrt. Reynik dachte nicht weiter darüber nach, als er neben dem Obersten Geistlichen auf die Füße rollte.
Mit einem heftigen Ruck entriss er dem Geistlichen den Zeremonienstab und wandte sich wieder seinen Gegnern zu. Der goldfarbene Holzstab wirbelte in seinen Händen, dass er nur noch ein verwischter Schatten war. Er war leichter und länger, als es Reynik lieb war, aber er war für seine Zwecke hervorragend geeignet. Waren die Angreifer von seiner ersten selbstmörderischen Attacke überrascht gewesen, so waren sie jetzt erstaunt. Doch zum ersten Mal während des kurzen Kampfes machte die Überzahl der Feinde dem jungen Krieger nichts aus.
Im Alter von fünf Jahren hatte Reynik zum ersten Mal einen Stab in der Hand gehabt und war seit einigen Jahren ein Experte im Kampf mit dieser Waffe. Sein Vater war immer der Meinung gewesen, dass auf kurze Distanz und besonders gegen mehrere Angreifer der Stab die effektivere Waffe sei als das Schwert. Reynik vertraute dem Urteil seines Vaters und machte sich daran zu beweisen, dass er recht hatte.
Es war kein Platz für gekonnte Drehungen. Mit brutaler Effizienz fegte Reynik die feindlichen Kämpfer einen nach dem anderen nieder, schlug die Schwertklingen beiseite, als ginge er durch einen Wald und müsse Äste in seinem Weg abhacken. Auf die Vielseitigkeit der beidseitigen Waffe waren die Männer nicht vorbereitet. Wieder und wieder stieß Reynik in verwundbare Körperteile, fügte Krieger um Krieger starke Schmerzen zu oder schlug sie bewusstlos. Und jedes Mal wenn ein Gegner niederging, trat Surabar rasch hinzu und nutzte den Vorteil. Er kannte keine Gnade. Sie gaben ein gutes Team ab.
Zwei andere Soldaten aus der linken Flanke bemerkten schließlich den Durchbruch und halfen dem Kaiser, die beiden letzten feindlichen Kämpfer zu erledigen. Kurz nach dem ersten Ansturm hatte der rechte Flügel des Keils seine Reihen wieder schließen können und die überlegene Kampfkraft der Elitesoldaten verlangte einen hohen Blutzoll von ihren Gegnern. Trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit verließ die Angreifer der Mut, als klar wurde, dass ihre Überraschungstaktik nicht aufging. Der Kampf währte nicht viel länger. Die Angreifer erkannten schnell, dass sie gegen die hervorragend ausgebildeten Soldaten nicht viel ausrichten konnten. Ein paar Minuten später zogen sie sich überstürzt zurück.
»Guter Stab, Euer Eminenz. Das mit der Farbe tut mir leid«, meinte Reynik unbeeindruckt, als er dem Obersten Geistlichen gelassen seinen zerschlagenen Zeremonialstab zurückgab.
Der heilige Mann war noch viel zu durcheinander, als dass er etwas anderes hätte tun können, als mit erstauntem Gesicht den Stab an sich zu nehmen.
»Wie ist dein Name, Soldat?«, fragte Kaiser Surabar, völlig außerstande, seine Heiterkeit über Reyniks mangelnde Hochachtung zu verbergen.
»Reynik, Euer Majestät.«
»Danke, Reynik. Du hast gut gekämpft.«
Femke schloss ihren Bericht für den Kaiser ab. Er war nicht davon überzeugt, dass es eine weise Entscheidung gewesen war, Lord Kempten gehen zu lassen, doch er hatte sie angehört, ohne sie zu unterbrechen. Nachdem er darüber nachgedacht hatte, entschied er sich, ihren Plan zu unterstützen. Wenn man die mögliche Gefahr, die Lord Kempten darstellte, kannte, war es viel einfacher, ihn zu beobachten. Es würde sich zeigen, ob er an der Organisation des Angriffs nach der Zeremonie beteiligt gewesen war. Sie hatten so viele Männer gefangen genommen, dass der Kaiser sicher war, es würde sich bald herausstellen.
»Die Zeit wird uns sagen, ob deine Entscheidung richtig war«, sagte er und ging dann schnell zu einer neuen Angelegenheit über. In ihrem Bericht hatte Femke nichts über Lord
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