Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin
– pflanzte sich sofort vor Rani auf. Er war dreizehn Jahre alt, genau wie Rani, und verschwendete keine Zeit mit höflichen Begrüßungen. »Du gehörst nicht hierher!«
»Euer Hoheit!«, rief eine junge Kinderfrau aus, die kaum alt genug war, ein eigenes Kind zu haben, so dass sie umso weniger diesen eigenwilligen Jugendlichen lenken konnte.
»Ich sage nur die Wahrheit«, höhnte Bashanorandi. »Sie ist nicht königlichen Geblüts, und sie weiß nicht, wie wir leben.«
»Ich weiß, wie ich einen Gast in meinem Haus behandeln muss!«, antwortete Rani hitzig und fügte dann ein widerwilliges »Euer Hoheit« an.
Die Prinzessinnen kicherten hinter vorgehaltener Hand und warteten mit offensichtlichem Vergnügen darauf zu sehen, wie ihr heißblütiger Bruder auf diese neueste Herausforderung reagieren würde. Bashanorandi seufzte augenblicklich aufgebracht und wandte sich dann an seinen Halbbruder. »Hal, was machst du? Wie konntest du sie hier in unser Kinderzimmer kommen lassen?« Halaravilli ignorierte seinen Bruder, griff stattdessen nach einem seiner Spielzeugsoldaten und bewegte ihn auf eine bestimmte Position. »Hall«, rief Bashanorandi aus. Als der Jüngere keine Antwort bekam, fegte er das Spielbrett leer und verstreute die Teile im Raum. »Ignoriere mich nicht, wenn ich mit dir spreche!«
Halaravilli schaute fragend auf. »Wenn du mit mir sprichst? Wenn du mit mir sprichst?« Der Prinz formte seine Worte zu einem Sprechgesang. »Nur ein Unberührbarer würde Hal genannt. Nur ein Unberührbarer oder ein Gott. Wenn du mit mir sprichst, wenn du mit mir sprichst, mit einem Unberührbaren oder einem Gott.«
Bashanorandi wurde puterrot und stotterte, während er das Spielbrett mit Einlegearbeit ergriff, das sein Bruder benutzt hatte. Seine Finger suchten Halt, und er hatte eindeutig vor, das Brett über seinem Knie zu zerbrechen. »Splitter für den Prinzen, Splitter für den Prinzen«, wandte der ältere Junge ein. »Spiel mit dem Brett, und du ziehst dir Splitter zu, o Prinz.«
Rani konnte nicht umhin, über Bashanorandis frustrierte Grimasse zu lachen, woraufhin der Junge seinen Zorn auf sie richtete. »Du! Wie heißt du?«
»Marita Pilgerin«, antwortete sie ruhig und verfiel in einen hübschen Hofknicks.
Bashanorandi wollte höhnisch etwas erwidern, aber plötzlich richtete Halaravilli seinen durchdringenden Blick auf sie. »Willkommen, Marita. Dann bist du ein Lehrling?«
»Ja.« Rani nickte und entschwebte in ihre neue Identität. »Bei den Barden.«
»Ah, dann.« Halaravilli wirkte erfreut. »Ein Barde, der uns Geschichten erzählen kann, ein Barde, der uns Geschichten erzählen kann. Du wirst uns Geschichten von den Königen, Geschichten von den Prinzen erzählen. Ein Barde, um uns Wahrheiten zu erzählen.«
Rani wand sich unbehaglich. »Ich bin erst seit kurzer Zeit Lehrling, Euer Hoheit.«
»Nenn mich Hal, nenn mich Hal.« Rani schaute überrascht auf und ließ den Blick unwillkürlich zu dem jüngeren Bashanorandi wandern, der wirkte, als würde er seinen Bruder mit Freuden erwürgen. »Ich benenne mich, ich lasse mich nicht von anderen benennen. Von anderen benennen, von anderen benennen. Er denkt, dass ich Unberührbar bin, dass ich Unberührbar bin, dass ich Unberührbar bin. Ich nenne mich Hal.« Der Prinz lächelte verschwörerisch, und Rani erkannte in seinem Kinn den Geist Tuvashanorans.
»Nun gut… Hal. Auf jeden Fall bin ich erst seit kurzer Zeit Lehrling, aber ich werde mein Bestes tun, Euch zu erfreuen.« Bashanorandi schnaubte angewidert und stolzierte zur anderen Seite des Kinderzimmers.
Hal schüttelte den Kopf, während sich sein Halbbruder am Kamin niederließ und seinen Schwestern laut eine Geschichte über seine Heldentaten in den königlichen Ställen an diesem Morgen zu erzählen begann. »Bashi tut mir leid, Bashi tut mir leid. Er will König sein, will König sein. Denk nicht schlecht von ihm.«
»Bashi?« Rani brach fast in schallendes Gelächter aus, als sie den Händlernamen für den verzogenen Prinzen hörte.
»Lass ihn nicht hören, dass du diesen Namen benutzt. Er wird dich niederschlagen, niederschlagen. Er hat mich niedergeschlagen.«
»Aber das ist…«
»Das ist normal, normal, normal. Wir sind Brüder.« Hal zuckte gleichmütig die Achseln, obwohl ein Schatten über seine Stirn zog. »Erzähl mir von Brüdern, Brüdern und Schwestern, Schwestern und Brüdern. Hast du welche, Marita Pilgerin? Brüder und Schwestern in…« Er brach ab, als könne er
Weitere Kostenlose Bücher