Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin
der Rat spricht?«
»Nein, Euer Gnaden.«
»Besitzt du etwas Geld als Entschädigung für die Störung des Marktfriedens?«
»Nein, Euer Gnaden.«
»Gibt es irgendeinen Grund, warum der Rat sein Urteil nicht verkünden sollte, das für dich und die Händler, denen du heute Schaden zugefügt hast, bindend sein wird?«
»Nein, Euer Gnaden.«
»Gut. Dann verkündet der Rat folgendes Urteil: Rordi ist genug gestraft, weil sie ihre Waren nicht mehr verkaufen kann. Rani wird Tarins Stand zwei Wochen lang jeden Abend reinigen, und sie wird in diesen zwei Wochen auch in der Mittagszeit für ihn auf seinen Stand aufpassen. Ein Ratsmitglied wird sie aus der Nähe beobachten und sicherstellen, dass Tarin jeden Tag alles Geld erhält, das ihm geschuldet wird. Was Narda betrifft, so wird Rani ihr zwei Wochen lang dienen, ihren Befehlen in allem und zu jeder Zeit folgen, bis auf jene Stunden, in denen sie ihren Verpflichtungen den anderen Händlern gegenüber nachgeht. Der Rat wird Narda den heutigen Verlust der Eier aus der gemeinsamen Kasse ersetzen.«
Narda quietschte vor Freude, aber der Schlachter und der Bäcker begnügten sich mit einem knappen Nicken. Borins Urteil war fair. Der alte Mann sah Rani direkt in die Augen. »Du hörst das Urteil des Rates. Du bist namentlich verschworen, dich mit dem Urteil des Rates abzufinden. Wirst du dich an diesen Schwur halten, oder forderst du die Gerechtigkeit des Königs?«
Rani ließ den Kopf hängen und flüsterte mühsam: »Ich werde mich mit dem Urteil des Rates abfinden.«
»Dann erhebe dich, Rani, und begib dich an deine zugewiesenen Pflichten. Der Rat wird dein Handeln in zwei Wochen überprüfen und entscheiden, ob weitere Sanktionen nötig sind. Ich entlasse dich in Nardas Obhut. Die Eierfrau ist während deines Dienstes für deine Ernährung zuständig. Nimm dich vor dem Rat und der Gerechtigkeit des Königs in Acht, falls du deinen Schwur brichst.«
Rani beugte mit der Geste der Ergebenheit den Kopf, die sie jahrelang vor ihrem Vater ausgeführt hatte. Eine Autorität war eine Autorität, ob als Elternteil oder Richter auf einem bevölkerten Marktplatz. Borin nickte, und der Bäcker griff in eine Kassette und zählte Münzen ab, um Narda für ihren Verlust zu entschädigen.
Als die Frau die Kupfermünzen eingesteckt hatte, wandte sie sich ihrem Schützling zu. »Komm, Mädchen. Wie heißt du? Rani? Nun, Rani, wir haben einen langen Tag vor uns, nicht wahr?«
Rani folgte der kleinen Händlerin zwischen den Ständen hindurch zurück. Niemand beachtete sie jetzt mehr. Der Marktplatz war von Stadtbewohnern bevölkert, die ihre Speisekammern mit guten Sachen füllen wollten. Rani hatte jedoch bald keine Zeit mehr, die Käufer zu beobachten. Narda reichte ihr einen Lappen und eine kleine Drahtbürste und befahl ihr, den umgestürzten Eierstand zu säubern. Narda, unerwarteterweise von der Arbeit des Tages befreit, nahm die Entschädigung und bahnte sich ihren Weg zu einem fernen Stand, der bereits Krüge mit Ale aufstellte.
Rani entdeckte rasch, dass die Eier, die sie zerbrochen hatte, nicht die ersten waren, die den Tisch verunziert hatten. Klebriger Eidotter überkrustete die Risse zwischen den Brettern und die Beine des Tisches schimmerten vor Eiweiß. Der Lappen war hilfreich, um den größten Teil des morgendlichen Missgeschicks aufzuwischen, aber anschließend stellte sich Rani auf einen langen Arbeitstag mit der Drahtbürste ein.
Die Arbeit erwies sich jedoch als nicht schwieriger als viele der Aufgaben, die sie im Gildehaus bewältigt hatte. Das Schrubben folgte bald einem eigenen Rhythmus, und Rani summte vor sich hin, während sie ihr Handwerkszeug handhabte. Sie erinnerte sich vage, solche Aufgaben verachtet zu haben, als sie noch für ihre Eltern arbeitete, aber während ihres Lebens als Lehrling hatte sie den wahren Wert von Arbeit kennen gelernt. Zumindest war die Sonne am Himmel über ihr warm, und auf dem Marktplatz gab es keine Kohlen, an denen sie sich verbrennen, und keine Bleidämpfe, die sie einatmen könnte. Und sie wurde nicht mit Dolchen aus fast unsichtbarem Glas geschnitten. Alles in allem war ihre Bindung an Narda nicht schwieriger, als es ihre Verpflichtung den Glasmalern gegenüber gewesen war.
Das Wichtigste aber war, dass sie Zeit zum Nachdenken hatte, während sie im Schneidersitz auf dem Marktplatz saß. Sie musste einen Plan ersinnen. Das Gildehaus lag inzwischen wahrscheinlich in Trümmern, alle Glasmaler waren in Shanoranvillis
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