Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
Vom Netzwerk:
Herrin. Ich habe dieses Tischbein fast fertig.«
    Die alte Frau betrachtete den Stand mit einer Sorgfalt, die sie gewöhnlich nur bei edlem Schmuck anwandte. Eine knorrige Hand rieb über das Holz, und Rani sah, dass Schwielen die hornige Haut zeichneten. Narda legte den Kopf auf eine Seite und wirkte in jeder Hinsicht wie eine beschwipste Krähe. »Ja, du hast deine Arbeit bisher gut gemacht.« Die Worte drangen eher widerwillig aus der Kehle der Frau. »Lass dich von mir nicht von der restlichen Arbeit abhalten.«
    Rani fühlte sich unbehaglich dabei, unter dem wachsamen Blick der Frau zu arbeiten. Es war nicht so, dass sie sich vor ihrer Strafe drücken wollte – alles andere als das, denn Rani wusste, wann etwas gerecht war. Vielmehr verspürte Rani, wenn Narda zusah, eher ein eigentümliches Jucken an ihrem Schienbein, und dann ein quälendes Kribbeln auf ihrer Kopfhaut. Sie wand sich wie ein Kleinkind, das sich von seinen Windeln befreien will.
    »Nun!«, rief die Eierfrau aus. »Du klebst an deiner Arbeit wie Honig an Brot! Pass auf, dieser Tisch ist bis heute Abend sauber, sonst wirst du deine Faulheit Borin erklären müssen. Jetzt bringe ich dich jedoch am besten zu Tarin. Du sollst dich um seinen Stand kümmern, während er sein Mittagessen einnimmt.« Narda nahm Rani bei der Hand und führte sie über den Marktplatz.
    Als sie auf den Stand des Melonenhändlers zugingen, spürte Rani die Macht des Marktes in ihren Knochen. Sie wusste, dass die Ratswächter sie beobachteten, aber sie konnte ein Lächeln nicht verhindern, während sie Tarins Waren verkaufte und blitzschnell und genau Kupfermünzen abzählte. Rani war die geborene Händlerin. Sie blühte auf dem Marktplatz auf. So sehr Gildemeisterin Salina es vielleicht auch versucht hatte – mit Worten und Gebeten vor den Altären der Tausend Götter und mit häufigen Bitten an Clain, den Gott der Glasmaler –, die Gilde hatte Ranis Wurzeln doch nicht herausreißen können.
    Einmal, als Rani vom Stand aufblickte, erspähte sie eine Gestalt am Rande des Marktes, eine verhüllte Frau, die das Gesicht geschickt in ihrem Umhang verbarg. Rani sah eine weiße Strähne in dunklem Haar, und sie hätte fast Moradas Namen herausgeschrien. Bevor sie sich jedoch regen konnte, trat eine der Frauen des Rates in ihr Blickfeld, ihr geflochtenes Abzeichen an der Schulter ihrer Tunika war deutlich zu sehen. Rani ließ die Hand widerwillig sinken und widmete sich wieder der Aufgabe, das Wechselgeld für einen Viertelscheffel Obst abzuzählen.
    Als Tarin zurückkehrte, staunte er über ihre Arbeit, freute sich und schenkte ihr eine Melone – natürlich eine kleine mit einer Druckstelle an einer Seite, die aber im mittäglichen Sonnenlicht duftete. Auch Narda hielt sich getreu an Borins Urteil, indem sie ihr einen großen Laib Brot reichte, als sie Rani vom Obststand abholte und zu ihrer Schrubbarbeit zurückbrachte. Da sich die alte Frau weiterhin über den Fortschritt an ihrem Tisch freute, spendierte sie zum Abendessen großzügig eine Fleischpastete, die sie von den Kupfermünzen bezahlte, die Borin ihr für den Verlust der Eier zuerkannt hatte. Während Rani mit einem Finger verstohlen die Vorderseite ihrer Tunika hinabfuhr, um einen verirrten Klecks Fleischsaft wegzuwischen, zuckte ihr Blick über den Marktplatz. Sie hoffte, einen weiteren Blick auf die Gestalt zu erhaschen, von der sie zunehmend sicher war, dass es Morada gewesen war.
    Nur noch wenige Käufer waren auf dem Markt. Auch die säumigsten Köche hatten die restlichen Kräuter und Feldfrüchte für die Zubereitung ihrer Abendmahlzeiten erstanden. Narda, die gerade ihre Fleischpastete beendete, beäugte schlau die Überbleibsel des Markttages und umschritt dann mit der trügerischen Balance einer Betrunkenen ihren Tisch. Sie konnte kaum einen Aufschrei unterdrücken, als die letzten Strahlen der Sonne von ihrem Stand abstrahlten. »Cor! Du hast gute Arbeit geleistet, Mädchen.«
    Ranis schmale Brust schwoll vor Stolz bei diesem Kompliment. Sie hatte es gut gemacht – der Tisch war von der Eischicht befreit, so dass stabile Eichenplanken zum Vorschein kamen. Rani hatte das Holz poliert, bis es glänzte, hatte ihr ganzes Können sowohl als Händlerin als auch als Gildemitglied eingesetzt, um die Maserung in der Eiche hervorzuheben. Rani stellte sich glatte, weiße Eier vor, die auf dem Tisch arrangiert wurden und die Käufer von morgen mit ihrer perfekten Form einluden.
    »Ja«, sagte Narda, während sie

Weitere Kostenlose Bücher