Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
Vom Netzwerk:
betrat. Erst als die Person ins trübe Licht trat, erkannte Rani, dass es Mair war.
    Rani hätte ihre Unberührbaren-Freundin fast beim Namen gerufen, aber sie bekam keine Gelegenheit dazu, denn Borin hatte seine Besucherin schon bemerkt. Der oberste Ratsherr durchquerte den Raum mit der Geschwindigkeit einer angreifenden Schlange. Rani konnte sehen, wie sich seine Finger in das Fleisch von Mairs Arm gruben, und er zischelte: »Was tust du hier?«
    Mair hielt stand. »Meine Schar hat ‘n paar Neuigkeiten aufgeschnappt, Euer Gnaden. Und Ihr wollt meine Geheimnisse erfahren, das könnt Ihr mir glauben. Ihr werdet sie jetzt hören wollen.« Sie sprach drängend, und Borin schaute zu Rani zurück, während sich das trübe Licht auf seiner Glatze spiegelte.
    »Nun gut.« Der Händler blickte finster drein und zog das Unberührbaren-Mädchen aus dem Raum.
    Rani hielt den Atem an, in der Hoffnung, etwas von der geflüsterten Unterhaltung belauschen zu können, aber sie konnte nichts verstehen. Sie seufzte und bedachte Mairs Tapferkeit. Rani hätte es niemals gewagt, in seinen eigenen Räumen Forderungen an Borin zu stellen, besonders wenn der oberste Ratsherr so eindeutig beschäftigt war. Diese Unberührbaren… Sie weigerten sich, gemäß den Regeln der anderen Kasten zu leben.
    Rani wurde in ihren Gedanken unterbrochen, als Borin in den Raum zurückkehrte. Der Mann fuhr sich mit einer Hand über den kahlen Schädel und warf seinen Ratskollegen, die stoisch warteten, einen raschen Blick zu.
    »Rani, du kannst uns noch einen Dienst erweisen, der deinen Ruf unter den Händlern dieser Stadt noch mehren würde.« Borin räusperte sich und tat einen tiefen Atemzug, als stähle er sich für eine schwierige Aufgabe. »Dies ist eine Ehre, die wir normalerweise nur einem der Unseren zuteilwerden lassen, aber wir dürfen dein loyales Handeln und deine Worte der Treue, seit du dich unseren Rängen angeschlossen hast, nicht außer Acht lassen.« Borin gab einem seiner Günstlinge ein Zeichen. »Kasrin, die Rolle mit den Aufzeichnungen.«
    Das aufgerufene Ratsmitglied sah überrascht auf. »Borin«, protestierte sie, »unsere Zehnten sind erst morgen fällig, am Festtag des Hern.«
    »Glaubst du, ich habe den Kalender vergessen?«
    »Natürlich nicht, aber…« Die Frau regte sich unbehaglich unter Borins durchdringendem Blick. Auch andere Ratsmitglieder regten sich nervös, und Rani hörte einen leisen, an Hern, den Gott der Händler, gerichteten Fluch.
    »Aber?«, drängte Borin, und seine Stimme nahm eine Schärfe an, die Rani zuvor nicht gehört hatte. »Forderst du meine Führung heraus?«
    »Natürlich nicht, Borin«, protestierte Kasrin. »Aber was soll ich denken? Das Balg eines Unberührbaren kommt herein, unterbricht die Angelegenheiten des Rates, und als Nächstes erfahre ich, dass du dieser kleinen Verbrecherin unsere höchste Ehre übertragen willst!«
    Bevor Rani zornig werden konnte, rief Borin aus: »Nein! Da irrst du dich, Kasrin. Rani Händlerin ist keine Verbrecherin mehr. Sie hat ihr Urteil gut und ehrenhaft abgearbeitet. Aller Makel der Vergangenheit ist durch diesen Dienst beseitigt.«
    »Dennoch, Borin…«
    »Jegliche weitere Anfechtung, Kasrin, musst du vor dem Gesamtrat vorbringen. Bist du bereit, das zu tun?«
    Kasrin sah ihren Anführer eine lange Minute an. Es schien Rani, als hätte Kasrin die Ehre, den Zehnten zur Kathedrale zu bringen, selbst beanspruchen wollen. Bevor Mitleid in Rani aufkeimen konnte, verneigte sich Kasrin jedoch starr und zornig. »Nein, Borin. Ich folge deinem Willen.«
    »Sehr gut.« Der kahlköpfige Mann streckte die Hände aus und ignorierte es, als Kasrin die Rolle Pergament regelrecht auf seine Hände schlug. »Rani Händlerin. Es ist der Brauch dieses Rates, der Priesterschaft an unseren Festtagen einen Zehnten darzubieten – eine Mustersammlung aller unserer Waren, die unsere Priesterbrüder durch das nächste Jahr bringen sollen. Unsere Gaben müssen heute Abend zum Gelände der Kathedrale gebracht werden, zum Ende des Pilgerweges. Willst du als unsere Abgesandte zu den Priestern gehen und all die Händlergaben, guten Wünsche und Gebete für das nächste Jahr überbringen?«
    Rani sah den Mann mit offenem Munde an. Es war eine legendäre Ehre, von der er sprach – eine Ehre, die sie und Varna als Kinder immer nachgespielt hatten. In einem Jahr war Bardo der Abgesandte des Rates gewesen, der die Reichtümer des Marktes durch die Straßen trug, mit viel Prunk und Gehabe.

Weitere Kostenlose Bücher