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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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letzte Erinnerung an ihren beschützenden Bruder wischte auch das lüsterne Grinsen aus seinem Gesicht.
    »Dann werden wir deinem Bruder morgen früh eine Nachricht zukommen lassen, Ranimara.« Mit der Nennung ihres neuesten Namens zog Garadolo seine aufgeplatzte Hose ein letztes Mal hoch, bevor er zu seinem zusammengerollten Bettzeug hinüberstapfte. »Hier an der Lampe ist es wärmer«, bedeutete er ihr. Als Rani ihn mit einem finsteren Blick fixierte, der noch eisiger als die Nacht war, zuckte er die Achseln. »Man kann nicht behaupten, ich hätte es nicht versucht. Dann friere, Ranimara.« Er kicherte über ihr angewidertes Schnauben.
    Jeglicher Irrglaube, dass sich Garadolo vielleicht um ihr physisches Wohlbefinden sorgen würde, wurde innerhalb von drei kurzen Minuten zunichtegemacht, als der Soldat schnarchend in vom Alkohol geprägten Schlaf sank. Rani bedeckte ihre Ohren mit den indigoblauen Handschuhen, die sie vor Rabe in Sicherheit gebracht hatte. Als sich das als nutzlos erwies, versuchte sie, ihren Atem gewaltsam dem des Mannes anzugleichen, aber ihr wurde angesichts der Intensität seines Schnarchens bald schwindelig. Schließlich ergab sie sich in eine schlaflose Nacht, lehnte sich an die verputzte Wand und zog die Knie dicht an ihre Brust. Sie verbrachte die Zeit damit, zu Lan zu beten. Der Küchengott hatte eindeutig auf sie herniedergelächelt – er hatte ihre Bitten erhört, innerhalb der Stadtmauern bleiben zu dürfen. Er hatte sie, allen Umständen zum Trotz, zu Garadolo, zu der Bruderschaft und zu Bardo geführt.

    Rani musste schließlich eingeschlafen sein, denn beim Erwachen war sie allein in dem schäbigen Raum. Ein Strahl gräulichen Lichts fiel über den Boden. Draußen konnte sie die Truppen sich regen hören, begleitet von viel Metallgeklirr und knarrendem Leder. Der Zusammenklang wurde von häufigen Flüchen betont, und Rani konnte sich das Heer von Männern vorstellen, die einander in der frostigen Morgendämmerung mit der Kameraderie anrempelten, die sie auch unter ihren Brüdern häufig beobachtet hatte.
    Ihre Brüder! Wo war Garadolo? Brachte er Bardo gerade zu ihr?
    Rani stand auf und streckte ihren steifen Rücken. Ihre Kleider waren schmutzig, erzählten eine Geschichte von zu vielen auf der Straße verbrachten Nächten. Sie fuhr sich mit schmutzigen Fingern durch ihr Haar und dachte daran, dass sie bald einen Kamm und einen Spiegel hätte. Sie würde bald in die Behaglichkeit einer Familie zurückgebracht werden.
    Der Gedanke trieb ihr kurzzeitig Tränen in die Augen – sie hatte es sich strikt untersagt, über die bitteren Neuigkeiten nachzudenken, die Mair ihr über den Tod ihrer Familie mitgeteilt hatte. Aber vielleicht war die Anführerin der Unberührbaren falsch informiert. Sie hatte vielleicht nur boshafte Gerüchte weitergegeben, von Bardos Feinden aufgebracht, oder von Händlern auf dem Marktplatz, die auf den Erfolg ihrer Familie im Händlerviertel eifersüchtig waren. Rani würde die ganze Wahrheit bald erfahren. Wie widerwillig auch immer Garadolo gewesen war – bald würde er Bardo zu ihr bringen. Er würde sie mit ihrem Lieblingsbruder wiedervereinen, und dann würde dieser Albtraum enden.
    Als Tageslicht in den Raum sickerte, sah Rani sich um und erkannte, dass sie zutiefst verlegen wäre, wenn Bardo sie in solcher Verkommenheit sähe. Als sie ihren Bruder das letzte Mal sah, hatten sie immerhin im renommierten Gildehaus der Glasmaler gestanden. Nun war sie auf äußerste Armut reduziert, auf die Verderbtheit eines von einem Soldaten ausgehaltenen Mädchens. Ihre Umgebung war abscheulich. Ihre Kleidung war zerlumpt. Sie war ein jämmerlich dürftiger Ersatz für ein wohlerzogenes Händlerkind.
    Rani schalt sich, weil sie seit Tuvashanorans Ermordung so wenig vollbracht hatte. Sie war von einer Situation in die andere geraten, hatte zugelassen, dass die Gilde um sie herum zerstört wurde, hatte zugelassen, dass ein Hinweis nach dem anderen in den brutalen, blutigen Straßen der Stadt verschwand.
    Rani sah sich in Garodolos Quartier um, während sie sich daran erinnerte, dass Bardo es stets mochte, wenn der Tresen im Laden ihrer Familie sauber und ordentlich ausgelegt war. Sie war vielleicht die in Ungnade gefallene Tochter von Händlern, sie war vielleicht der vertriebene Lehrling von Glasmalern, aber sie war noch immer Rani Händlerin. Sie wusste, wie man in einem Heim Ordnung schuf.
    Auf dem Boden neben der Tür lag ein Holzeimer auf der Seite, stummer Zeuge

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