Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin
Tigerjunge gemacht.« Garadolo schaute über die Schulter und senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Ich hatte genug damit zu tun, Dalarati abzuschütteln, als ich die Messe verließ.«
Larindolian stieß einen heftigen Fluch aus, wirbelte herum und schlug Garadolo mit behandschuhter Hand auf die Wange. »Hast du dich dieser Bedrohung noch immer nicht entledigt? Du hattest schon vor über einem Monat Befehl zu handeln!«
»Ich habe den größten Teil dieses Monats versucht, Kontakt zur Bruderschaft aufzunehmen«, jammerte der Soldat, und Entsetzen schimmerte in den blutunterlaufenen Augen über seinem schmierigen Bart. »Es ist nicht so leicht, wie Ihr glaubt. Der Mann ist beliebt bei den Soldaten. Er ist stets von seinen Kameraden umgeben – auf dem Übungsfeld, beim Umtrunk. Ich denke, es ist noch nicht nötig, ihn loszuwerden. Noch nicht.«
»Denkst du? Seit wann wagst du es zu denken, Garadolo?« Larindolian schürzte geringschätzig die Lippen. »Das Ergebnis deines Denkens sehen wir ja hier – an diesem Straßenbalg, dem du Zugang zu unserer Mitte gewährt hast.«
Rani hatte alles, was ihr möglich war, in sich aufgenommen. Sie unterbrach beinahe den Adligen in ihrem Eifer, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Ich bitte um Verzeihung, aber Garadolo trägt nicht die ganze Schuld. Ich bin ihm gefolgt, obwohl er mir befahl, in den Baracken zu bleiben, weil ich meinen Bruder sehen wollte.«
»Deinen Bruder?«, fragte Larindolian, aber Rani konnte nicht erkennen, ob seine Überraschung der Unterbrechung galt, oder ob er sich einfach nicht vorstellen konnte, dass all die Schwierigkeiten nur durch den Wunsch eines kleinen Mädchens verursacht wurden, seinen Bruder zu sehen. »Und wer, im Namen all der Tausend Götter, könnte das sein?«
»Bardo Händler, Herr.«
»Was, he!«, rief Garadolo aus. »Verschwende keine Zeit mit deiner Geschichte, kleiner Tiger!«
»Halt die Klappe, du dummer Ochse! Noch ein Wort von dir, und ich verfüttere deine Eier an den Goldfisch der Königin.« Garadolo sperrte auf Larindolians Rüge hin den Mund auf und öffnete und schloss ihn dann mehrmals wie eine Forelle, die man aus einem Fluss gefischt hat. Der Adlige wandte seine Aufmerksamkeit wieder Rani zu und winkte ihren Wächter mit einer ungeduldigen Geste fort. »Rani Händlerin… Dann bist du also diejenige, die an der Kathedrale bei Morada war.«
Rani seufzte, als die Messerspitze von ihrem Nacken genommen wurde. »Ja.«
»Und du bist diejenige, die Tuvashanoran in den Tod rief?«
»Das war nicht fair!«, wollte sie aufschreien. Sie hatte nicht gewusst, dass er sterben würde. Sie hatte den Prinzen zu retten gehofft und nicht, ihn zu töten! Warum begriff das niemand? Rani ignorierte die Frage des Adligen, auch wenn sie sich seiner kaum zurückgehaltenen, wütenden Macht schmerzlich bewusst war, des puren Zorns, der Morada angegriffen und Garadolo bedroht hatte. »Bitte, ich suche meinen Bruder schon seit Wochen.«
»Warum bist du nicht zum König gegangen, Mädchen? Warum hast du nicht alles berichtet, was du über die Verräter weißt, die Tuvashanoran getötet haben?«
Rani zwang sich, dem Blick aus den eiskalten, blauen Augen des Mannes zu begegnen. »Der König würde mein Leben fordern, bevor ich zu Wort käme.« Sie zuckte die Achseln. »Ich war in der Gilde, versteht Ihr, und dann bin ich davongelaufen, bevor die Leute des Königs sie vernichten konnten. Als ich bei den Unberührbaren war, habe ich die Soldaten belogen und ihnen erzählt, ich sei eine Pilgerin, und dann war ich auf dem Marktplatz und habe für den Rat gearbeitet, um meiner Bestrafung zu entgehen. Jetzt lebe ich bei den Soldaten, und ich musste… Waren… finden, um sie gegen die Ehre einzutauschen, von Euch angehört zu werden…« Sie brach ab, da die Geschichte ihrer Verfehlungen unter dem Blick der Schlangen an Gewichtigkeit zuzunehmen schien.
»Eine wahre Jair, das bist du, die du je nach Laune deine Kaste wechselst.« Larindolians Stimme klang trocken, aber Rani war sich nicht sicher, ob die ruhige Feststellung des Adligen nur an die Stelle des flammenden Zorns getreten war.
»Geehrt sei der Name des Pilgers«, fügte Rani verspätet hinzu, und ihre Hand vollführte zitternd ein heiliges Zeichen, während sie Schutz gegen ihren aufbrausenden Gegner suchte. Sie fügte lautlos noch eine Bitte an Lan an und wurde belohnt, als der Adlige einen vergeblichen Kampf gegen ein berechnendes Lächeln führte.
»Und welchen Beweis
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