Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin
ihren Beutel und nahm einen Männerring hervor, aus schwerem Gold, mit einem quadratisch geschliffenen Onyx verziert. Sie hatte nicht gewollt, dass Garadolo das Siegel des Hauptmanns sähe, aber ihr blieb keine andere Wahl. Der Stein glitzerte im Fackellicht wie ein unheilvolles Auge.
Larindolians Lachen klang so scharf, dass Rani den Ring beinahe fallen ließ. »Was soll ich mit deinen lumpigen Münzen und dem Ring eines anderen Mannes anfangen?« Larindolian griff in einen Beutel an seiner Taille und nahm als Vergleich zu Ranis hart errungenem Silber eine Handvoll Gold hervor. »Du unterschätzt die Bruderschaft, Kind. Uns steht der Reichtum von Königen zur Verfügung.«
Der Lehrling schluckte, während Garadolo vor Lachen keuchte. »Da hat er dich, kleiner Tiger! Du hast nicht viel Vergleichbares, was du einem Herrn anbieten könntest, oder?«
Rani warf dem Soldaten einen verbitterten Blick zu, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder Larindolian zuwandte. »Was wollt Ihr also?« Sie war Händlerin genug, um zu erkennen, dass der Adlige das Gebot nicht eröffnet hätte, wenn er nicht einen Preis im Sinn hätte.
»Ich möchte, dass du uns von diesem lästigen Soldaten befreist.« Rani dachte einen kurzen Augenblick lang – er meinte Garadolo. Sie warf einen flüchtigen Blick auf ihren ehemaligen Gefangenenwärter und brachte ihn so zu der entsetzten Erkenntnis, dass er in Gefahr war. Larindolian lachte kurz rau auf. »Nein, nicht diese elende Ausrede eines Königstreuen. Mit solchem Müll würde ich dich nicht behelligen.« Garadolos rasches Gebet zu Cot ging fast in der heftigen Verachtung Larindolians unter. »Nein, ich spreche von demjenigen, um den er sich nicht kümmern konnte… Dalarati – beseitige den Mann.«
»Dalarati!«, rief Rani aus, und das Bild des gut aussehenden Soldaten tauchte kurz vor ihren Augen auf, lachend und freundlich. »Aber er bedeutet keine Bedrohung für die Bruderschaft! Er hat mir ein Mandelbrötchen geschenkt.«
»Oh, nun, dann! Ein Mandelbrötchen«, höhnte Larindolian. »Wenn du Leckereien einem Besuch bei deinem Bruder vorziehst…«
»Sagt Bardo, dass ich hier bin!«, forderte Rani hitzig.
»Sonst wirst du was tun? Fordere dein Glück nicht heraus, Mädchen. Ich habe bei deinen Oberen die Männer des Königs gerufen, und ich werde nicht zögern, auch dich zu übergeben, wenn ich die Bruderschaft damit schützen kann.«
»Ihr wisst, dass ich keine Bedrohung für Euch bin! Und Dalarati auch nicht!«
»Du sprichst zu einem erwachsenen Mann, Rani Händlerin. Du weißt wohl kaum etwas über die Lage dieses Landes.« Der Adlige beugte sich näher heran. Sie konnte Duftwasser auf seiner Haut riechen. »Dalarati hat das Leben deines Bruders bereits bedroht. Er hat öffentlich geschworen, jedes Mitglied der Bruderschaft zu töten, das er findet, und er kennt Bardos Namen.« Larindolian wartete, bis sie seine Worte begriffen hatte. »Es ist eine einfache Sache, Rani. Entweder du tötest Dalarati, oder er tötet deinen Bruder.«
Angst schloss sich um Ranis Brust – Angst um Bardo, um das letzte verbliebene Mitglied ihrer Familie. »Dalarati könnte niemals an Euren Verteidigungen vorbeigelangen!«, wandte Rani ein. »Ihr habt Wächter und Losungen…«
»Aber du, ein kleines Mädchen, konntest an ihnen vorbeigelangen. Welch größere Teufelei könnten wir von einem ausgebildeten Kämpfer erwarten? Ich würde dich nicht behelligen, Rani, wenn Dalarati seinen Absichten nicht bereits Ausdruck verliehen hätte. Wir brauchen dich, Rani. Bardo braucht dich. Bist du bereit, Garadolo die Sicherheit deines Bruders auch nur noch eine weitere Nacht anzuvertrauen, diesem… Hanswurst?«
Rani konnte nur den Kopf schütteln, während sie darum rang, ihren Unglauben zu verdrängen. »Aber Dalarati ist ein guter Soldat, und treu.«
»Wem gegenüber treu?«, konterte Larindolian, und er seufzte überdrüssig. »Ich wollte es dir nicht sagen, Rani Händlerin, aber du zwingst mich dazu. Dalarati gehörte einst zu uns. Er hat uns schon früher verraten – er hat den Pfeil abgeschossen, der Prinz Tuvashanoran tötete, der niemals unser Ziel war.«
»Dalarati? Er hat den Prinzen getötet? Und er trägt das Zeichen der Schlange?«
Larindolians Blick war felsenfest. »So sicher, wie Tuvashanoran selbst es getragen hat. Dalarati ist ein Rebell. Er glaubt, er kann die Bruderschaft selbst führen. Er beschloss für sich, dass nur Gerechtigkeit herrschen könnte, wenn der Verteidiger getötet
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