Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
Mitglieder des Kleinen Heers auf ihrem Schiff, und ein Begleitschiff, das weitere einhundertsechzig Soldaten trug, tanzte gerade in Sichtweite zu Ranis Linker auf dem Wasser.
Nichts von alledem machte Sinn, dachte sie wohl zum hundertsten Mal. Nichts an der Planung des Kleinen Heers machte irgendeinen Sinn.
Die Vorbereitungen für die Reise nach Liantine waren weitaus rascher vorangeschritten, nachdem Monny seine Fähigkeit bewiesen hatte, das Fluggerät zu handhaben. Die erwachsenen Soldaten hatten die Palisaden auf der Ebene außerhalb von Sin Hazars Stadt geräumt. Die Kinder hatten nur wenige Minuten Zeit bekommen, ihre Habe einzusammeln, und dann waren ihre Zelte abgebaut, ihre tragbare Stadt zerstört worden.
Die Kinder waren den Schiffen planlos zugewiesen worden. Mair sollte auf das andere Schiff kommen, aber sie war über die Trennlinie an den Docks hinweggerannt und hatte sich in die Menge der Kinder um Rani gedrängt, bevor die Wächter reagieren konnten. Die Soldaten waren über ihren Ungehorsam nicht glücklich, aber es stand nicht in ihrer Macht zu handeln – sie hätten niemals ein Kind von einem anderen unterscheiden können. Für Sin Hazars erwachsene Soldaten waren die Kinder alle austauschbare Teile in einer von Davins Kriegsmaschinerien.
Also befanden sich Rani und Mair zusammen mit Crestman und Monny und Dutzenden anderer Soldaten auf demselben Schiff. Tain und Serena, die Mädchen aus Sheas kleinem Haus, waren dem anderen Schiff zugewiesen worden. Rani hatte beobachtet, wie Sheas Gesicht zusammenfiel, als sie erkannte, dass Crestman ihre Töchter nicht beschützen könnte.
Tatsächlich hatte die alte Sonnenfrau die erwachsenen Soldaten angeschrien und sich zur vorderen Reihe der Kinder hindurchgedrängt. Sie war mit drohenden Worten zurückbeordert worden. Als Shea immer noch nicht gehorchen wollte, ließ der erwachsene Hauptmann sie fesseln und knebeln.
Diese Aktion hatte alle Kinder aufgewühlt, aber das kleine Schwanenmädchen Serena wurde besonders rebellisch. Sie stemmte die Hände auf ihre schmalen Hüften und befahl den erwachsenen Soldaten, ihre Mutter freizulassen. Die Männer lachten und schlangen einige Längen Seil um die Schultern des Kindes, banden ihr die Arme an den Seiten fest. Sie stießen sie lachend zu dem anderen Schiff und drohten, sie zu knebeln, als sie schrill zu all den Tausend Göttern schrie.
Diese Drohungen blieben Rani im Gedächtnis, während die amanthianischen Schiffe durch das Meer pflügten. Sie hörte sie immer wieder, während sie sich auf die Reling stützte, und sie erzitterte bei den Worten, die nicht ausgesprochen worden waren, bei dem, was hinter den Drohungen stand. Das Kleine Heer gab sich vielleicht einen stolzen Namen, es behauptete vielleicht, eines der stärksten Werkzeuge Sin Hazars zu sein, aber es bestand dennoch immer noch aus Kindern. Kinder, die durch die Peitsche eines erwachsenen Soldaten zum Schweigen gebracht werden konnten. Ein weiteres Schaudern zog Ranis Schulterblätter zusammen.
»Du bist nicht für die Kälte angezogen.«
»Crestman.« Rani wandte sich zu ihm um. »Wir Mädchen haben beim Quartiermeister keine Umhänge bekommen.«
»Ah, ihr sollt eure Behaglichkeit in den Armen eines Soldaten suchen.« Crestman lachte, während er die Spange an seinem Umhang löste und ihn um Ranis Schultern legte.
»Genau.« Rani wollte höhnen und das Geschenk zurückgeben, aber es lag zu warm um ihre Schultern. Sie konnte ihr Zähneklappern unterdrücken.
»Wenn du so sehr frierst, Rani Händlerin, solltest du unter Deck gehen.«
»Unten ist es schlimmer.«
»Es ist wärmer.«
»Wenn man den Gestank ertragen kann. Ich möchte lieber in der Kälte zittern, als es in einem stinkenden Krankenzimmer warm zu haben.« Wie um ihren Standpunkt auf die Probe zu stellen, sank das Schiff in ein besonders tiefes Wellental und warf kalte Gischt auf. Rani fluchte leise. Sie wollte nicht, dass ihr vor Crestman übel würde, wollte nicht die Mischung aus Abscheu und Mitleid auf seinem Gesicht sehen. Und sie wollte seinen feinen Umhang nicht beschmutzen. Als sie ihren rebellischen Magen wieder kontrollieren zu können glaubte, wandte sie ihm das Gesicht zu und sagte: »Ihr wisst, dass wir gegen die Liantiner keine Chance haben.«
»Keine Chance haben? Was meinst du? Du hast meine Männer am Schwanenschloss gesehen! Du hast gesehen, wie wir die Mauern untergruben. Wenn wir erst mit den anderen amanthianischen Truppen zusammentreffen, die bereits
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