Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
Er rettete beiden Neuankömmlingen das Leben.
Shea hatte die Gunst erwidert, indem sie die Arbeit einer Sonne getan hatte, versucht hatte, das Häuschen des alten Mannes in Ordnung zu bringen, so dass es zu einem annehmbaren Ort wurde. Sie hatte Wolken von Staub gewischt und die Hinterlassenschaften dieses Angst einflößenden, sprechenden Vogels entfernt. Sie hatte viele Rollen Pergament durchforstet und sie in militärische Projekte, Landschaftszeichnungen und endlose Schriftpassagen einzuteilen versucht. Sie fand sich für die Jungen Brot backend wieder, wobei sie deren fein gemahlenes Mehl benutzte, um die aus Hafergrütze und Salzfleisch bestehende, langweilige Speisekarte aufzulockern.
Davin ignorierte sie während ihrer Geschäftigkeit, brütete über seinen Büchern und Karten und murmelte seltsame Worte vor sich hin. Während der vergangenen Woche war er an drei Abenden bis zur Dämmerung in der Schmiede des Hufschmieds hinter seinem Häuschen geblieben und hatte dem stummen Riesen, der das Eisen kraftvoll bearbeitete und versuchte, die merkwürdigen Spezifizierungen seines Herrn zu erfüllen, Befehle zugerufen.
Shea erwachte jeden Morgen mit der Erinnerung daran, dass sie geplant hatte, mit Crestman südwärts zu fliehen. Sie hatte geplant, Amanthia zu entkommen, den Hunger und den Krieg und den König zurückzulassen, der so verzweifelt war, Kinder für sein Heer zu requirieren. Sie war immerhin eine Sonne – Staatsangelegenheiten gingen sie nichts an. Aber andererseits erinnerte sich Shea auch jeden Morgen des Schwanenschlosses.
Das Schloss lag unmittelbar jenseits von Davins Wald, einen mühelosen Spaziergang von Sheas kleiner Hütte entfernt. Als sie das erste Mal aus den Bäumen hervorgetreten war und es gesehen hatte, war sie von seinen glänzenden, schneeweißen Mauern überwältigt gewesen. Das Schloss ragte hoch über ihr auf, ohne weiteres so hoch wie zehn Männer. Das Gebäude stand auf einem steilen Hügel. Shea erinnerte sich, Geschichten über Sonnen gehört zu haben, die Wagenladung auf Wagenladung Erde zu dem Bauplatz schleppten. Die Wände leuchteten in der Morgenluft, fingen das Sonnenlicht ein und brachen es in unzähligen Prismen.
Shea war auf die Knie gesunken, während sie den Bau betrachtete, der die Rebellen während des Aufstands beflügelt hatte, das Gebäude, das ein friedliches Heim für ihr eigenes Schwanenmädchen, Larina, gewesen wäre, wenn der Krieg nur niemals begonnen hätte. Selbst jetzt, selbst mit dem Wissen, was das Schloss sie gekostet hatte, war Shea noch an die Geister der Schwäne gebunden, die dort gelebt hatten, die Schwäne, die sich gegen Sin Hazar aufgelehnt und ihre Provinz in die Niederlage getrieben hatten.
Als Shea an den durch die Rebellion verursachten Verlust dachte, ergriff Schwäche ihre Brust, und sie rang nach Atem. Was tat sie hier, dass sie vor dem Schwanenschloss mit Fuhrleuten stritt? Sie hätte zu Hause in ihrem eigenen kleinen Haus sein sollen. Sie hätte von ihren eigenen Kindern umringt sein sollen, von ihren Kindern. Ihre größte Sorge hätte sein sollen, ob sie einem Enkel vor dem Abendessen ein Stück Honigbrot gab oder nicht. Sie hätte sich keine Sorgen darüber machen sollen, Dutzende ausgehungerter Jungen zu ernähren, darüber, ihre Bäuche zu füllen, damit sie die Kraft für ihre nächsten Manöver im Dienste des Königs hätten.
Shea schüttelte den Kopf. Sie verlor sich in der Vergangenheit. Wieder einmal. Es würde zu nichts führen, Sin Hazars Fuhrleute zu bekämpfen. »Dann macht weiter, Mann. Und dann nehmt ihr alle euer Abendessen ein. Auf der anderen Seite des Schlosses steht ein Kochzelt. Ich werde eure Ochsen ausspannen.«
Der Fuhrmann schien diesen Streit mit der Aussicht auf warmes Essen in der Nähe nur allzu gerne zu beenden. Er pfiff seinen Leuten, und Shea wandte sich zu den Lasttieren um. Die Ochsen ließen die Köpfe tief herabhängen und schnaubten, als hätte sie ihre Reise angewidert.
»Crestman!«, rief Shea, als sie ihren Schützling in der Nähe der wahllos aufgestellten Zelte der Abteilung des Kleinen Heers herumlungern sah. »Leg mit Hand an, Junge! Spann diese Tiere aus!«
Der Löwenjunge ignorierte sie, gab vor, nichts gehört zu haben. Shea konnte jedoch sehen, wie sich seine Schultern anspannten, und sie zögerte kaum, bevor sie zu ihm stürmte. Sie beugte sich hinunter und flüsterte, wobei sie sich kaum die Mühe machte, ihre Worte vor den anderen Jungen zu verbergen: »Ich nehme dir dein
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