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Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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Moment, Crestman würde nicht antworten. Dann stieß er Worte hervor, die er mühsam seinem tiefsten Inneren entriss. »Man hat mich aus meinem Dorf entführt. Ich war damals acht Jahre alt. Es war Frühling, und der Fluss führte oberhalb meines Dorfes viel Wasser mit sich. Wir Löwen spielten gerade, versuchten, Rindenboote zu bauen, um die Stromschnellen hinabzusausen. Die Sonnen waren mit Pflanzen beschäftigt. Ich weiß nicht, wo die Eulen waren – wahrscheinlich mit den Priestern unterwegs. Aber wir Löwen waren ganz allein.«
    Rani beobachtete, wie Crestmans Blick ihn zum Ufer des Flusses zurückführte, zu seinem Dorf. Er war acht Jahre alt gewesen – kaum älter als Monny heute.
    »Als das Kleine Heer uns umzingelte, dachten wir, es wären nur andere Löwen, vielleicht aus einem anderen Dorf. Wir hatten natürlich gehört, dass Soldaten unterwegs waren. Wir wussten, dass Sin Hazar einen Krieg plante, dass sich alle seine treuen Löwen für ihn versammeln sollten. Darum spielten wir mit den Booten, um zu lernen, wie man die Liantiner auf dem offenen Meer bekämpft.
    Sie umzingelten uns, bevor wir erkannten, was geschah. Sie hatten Schwerter, richtige Eisenschwerter. Und Bogen. Nicht die Kleinbogen, die Davin für uns gefertigt hatte – große Bogen, mit langen Pfeilen. Einer von uns Löwen… leistete Widerstand, und sie erschossen ihn, schossen ihm mitten ins Herz. Er fiel mit dem Gesicht voran in den Fluss.«
    Crestmans Wangen waren während des Erzählens bleich geworden. »Sie zwangen uns zu marschieren, den ganzen Tag und die ganze Nacht, mit nur kurzen Unterbrechungen zum Schlafen. Nach einigen Wochen wussten wir nicht mehr, wo wir waren oder wie wir wieder nach Hause gelangen sollten, selbst wenn wir hätten entkommen können. Sie nannten uns Feiglinge, nannten uns Lustknaben und Huren. Wir trafen auf andere Gruppen, und wir erfuhren, dass sie nicht nur Löwen entführten. Auch Sonnen waren unterwegs, und Eulen. Sogar ein oder zwei Schwäne, Jungen, die zu klein waren, um mit den anderen Schwänen ausgebildet zu werden.«
    »Alle von den Eltern entführt«, hauchte Rani, deren Entsetzen mit ihrem eigenen Verlust verschmolz.
    »Tatsächlich war dieser Teil nicht so schrecklich. Wir Amanthianer verlassen unser Zuhause alle, wenn wir das richtige Alter erreichen, alle bis auf die Sonnen. So ist es, wenn man unter einem Nachtzeichen geboren wurde. Man verlässt seine Eltern, seine Brüder und Schwestern. Man lebt dann mit anderen Löwen zusammen, oder mit Eulen oder mit Schwänen.«
    »Aber dies…«
    »Dies war schlimmer. Dies bedeutete zu gehen, bevor wir dazu bereit waren, bevor wir gelernt hatten, was wir tun mussten. Und wir lernten nicht von anderen Löwen. Wir lernten von Tieren.« Crestman schüttelte den Kopf und hob die Finger zu der Narbe auf seiner Wange. »Das Erste, was sie taten, war, uns unsere Tätowierungen zu nehmen, damit wir uns nicht mit unseren Himmelskinder-Gefährten verbünden würden. Sie benutzten ein Messer, und vier Jungen hielten uns fest. Sie brannten uns, um die Blutung zu stoppen.«
    Ranis Hand bewegte sich aus eigenem Antrieb, hob sich zu Crestmans Gesicht. Er zuckte zusammen, als hielte sie brennende Kohle in der Hand, entzog sich ihr aber nicht. Sie fuhr mit einem Finger die weiche Haut entlang, und ihr drehte sich der Magen um, als sie an die Qual eines Kindes dachte, an das Entsetzen eines Kindes. »Aber Sin Hazar!«, protestierte sie. »Er trägt noch immer die Schwanentätowierung. Er und alle seine Leute sind noch immer gekennzeichnet.«
    »Ja«, stimmte Crestman ihr zu. »Für seine erwachsenen Anhänger hat der König andere Pläne. Er braucht sie nicht ihren Wurzeln zu entreißen. Die Himmelskasten sind stark. Eine Stärke, die das Kleine Heer fürchtet.«
    »Dann ist es wirklich ein Heer? Ein ganzes Heer, das aus Jungen besteht?«
    »Auf seine Weise. Wir werden in Züge eingeteilt. Zehn Jungen, die unter einem Leutnant dienen. Vier Züge in einer Abteilung, angeführt von einem Hauptmann. Im Lager gibt es überhaupt keine erwachsenen Soldaten, nicht einmal jemanden wie Davin, der die Streitkräfte führt. Altere Jungen bringen uns das Marschieren, das Rhythmuszählen, das Kämpfen bei. Nichts wesentlich anderes als das, was ein Löwe gelernt hätte.«
    »Außer?« Rani berief sich auf die Worte, die er nicht ausgesprochen hatte.
    »Außer dass sie uns auf Arten gebunden haben, wie ein Löwe niemals gebunden wird. Sie lehrten uns, zu fürchten und zu lieben,

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