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Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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ein junger König, der darum kämpfen musste, Ehre und Gerechtigkeit in seinem Königreich zu schützen.«
    Lamantarino neigte den Kopf, als hätte er eine Segnung im Namen all der Tausend Götter empfangen. Er sank auf seinem Stuhl zusammen, ausgelaugt, als wäre er meilenweit gelaufen, um die Kunde zu überbringen. Herzog Puladarati sprach als Nächster, brach die ehrerbietige Stille in dem Raum. Die Stimme des ehemaligen Prinzregenten hallte von dem Stein wider. »Dann werdet Ihr reiten, Euer Majestät? Ihr werdet die Ehre Eures Königreichs verteidigen?«
    Hal ließ seinen Blick über den Tisch schweifen, maß die Anspannung jedes einzelnen Ratsherrn. Er richtete den Blick jedoch auf Tasuntimanu, bevor er antwortete. »Im Namen Jairs«, sagte er und zwang seiner Stimme eiserne Härte auf, »könnte ich etwas anderes tun?«

    Rani hielt den Atem an, als sie zu Davins Werktisch trat und das ihr Bein hinabkriechende Jucken kurzzeitig vergaß. »Aber wie könnt Ihr wissen, wie viel man fortschleifen muss? Nehmt Ihr jedes Mal gleich viel weg?«
    Davin antwortete erst, nachdem er das sandbestäubte Tuch auf den Tisch gesenkt hatte. »Es ist bei jeder Glasart anders. Kobalt lässt sich anders abschleifen als rotes Glas. Und beide sind weicher als klares Glas.«
    »Aber was ist mit klarem Buntglas? Macht Farbe es härter oder weicher?«
    Davin nickte, als hätte sie eine kluge Frage gestellt. »Du verstehst, worum es geht, Mädchen. Es hängt davon ab, woraus die Farbe besteht. Auf Blei basierende Farben zersetzen das Glas, machen es brüchiger. Selbst ich zerbreche Linsen, wenn ich sie aus mit Bleifarben gefärbtem Glas zu gestalten versuche.«
    »Aber warum tut Ihr das? Ihr könnt nicht durch die Linse hindurchsehen, wenn sie mit Farbe bedeckt ist.«
    »Törichtes Mädchen!« Rani schrak vor dem jähen Zorn des alten Mannes zurück. Seine blinzelnden Augen blitzten sie aus seinem verrunzelten Gesicht an, aus der undeutlichen Tätowierung, die Rani noch immer nicht einer der nördlichen Kasten zuordnen konnte. »Du verschwendest mit deinen Fragen meine Zeit! Wenn du nicht einmal versuchst, die Antworten selbst zu finden, warum sollte ich mir dann die Mühe machen?«
    Rani hatte sich im Laufe der vergangenen zwei Wochen an die plötzlichen Tiraden des alten Mannes gewöhnt. Sie waren ein gerechter Preis für die Lektionen. Sie lernte, Glas zu gießen und zu schleifen und ihren Bedürfnissen anzupassen. Während Davin grollte und murrte, straffte Rani die Schultern und betrachtete die Linse, die der alte Mann gefertigt hatte. Warum sollte er Glas färben und dann daraus eine Linse gestalten wollen? Was würde die Farbe nützen, wenn sie das Glas anfänglich schwächte?
    Plötzlich erinnerte sich Rani, wie Davin den Angriff auf das Schwanenschloss beobachtet hatte. Sie dachte an das eingekerbte Werkzeug, das er benutzt hatte, um etwas an den Mauern zu messen, oder an das Loch, das die Jungen gegraben hatten. Natürlich! Sie könnte Abmessungen auf das Glas malen, ohne es völlig undurchsichtig zu machen. Die Farbe würde sich in die Oberfläche hineinätzen, das Glas schwächen, aber sie würde nützliche Markierungen zurücklassen. Dann könnte Rani das Glas zu einer Linse schleifen und die verbliebene Farbe für Abmessungen und Berechnungen von Entfernungen nutzen…
    »Man braucht eine sehr ruhige Hand, um die Linsen zu bemalen, sonst sind sie nutzlos«, sann Rani. »Wenn sie nicht vollkommen gleichförmig sind, ist es besser, gar keine Entfernungen zu kennen, als fehlerhafte Angaben zu erhalten.«
    »Ja.« Davin gewährte ihr ein seltenes, grimmiges Lächeln. Sie hatte das Geheimnis gelöst. Zumindest dieses.
    »Wofür ist dieses Glas gedacht?«, fragte sie weiter. »Was gestaltet Ihr?«
    »Ein Fluggerät.«
    Rani seufzte – das war Davins Standardantwort, wenn er nicht gestört werden wollte. Bevor sie ihre Frage neu formulieren oder etwas anderes ersinnen konnte, was sie dem alten Mann entlocken könnte, begann der Riesenvogel – der Ara, wie Davin ihn nannte – auf seiner Sitzstange zu zetern. »Ein Fluggerät! Ein Fluggerät!«
    »Ruhe, du Biest!«, drohte Davin. »Ruhe, oder ich rupfe dich kahl!«
    »Rupfe dich kahl! Rupfe dich kahl!«
    Der Ara ahmte Davins Tonfall genau nach, und Rani konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Sie hatte schon nach wenigen Tagen in dem kleinen Haus erkannt, dass der wundersame Vogel nicht wirklich neue Gedanken artikulieren konnte. Er konnte nur Sätze aufsagen, die er sich

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