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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
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selbst erzeugst.«
    »Aber warum kann es für uns nicht in Ordnung sein, einen unvollkommenen Feind zu haben?«, hakt Strahl nach. »Wenn
das Böse unvollkommen ist, wenn es so schwach und unfähig ist, warum sollten wir die Dinge verdrehen und es zu einer Perfektion zwingen, die es nicht hat?«
    »Weil wir perfekt sein müssen«, sagt Flug. »Gegen einen minderwertigen Feind zu kämpfen, der sich auch in seine Bestandteile auflösen kann, der sich uns entgegenstellt und dann auf einer Bananenschale ausrutscht, würde uns demütigen. Es würde unser Training sinnlos machen. Die Lösung ist, dass wir dem Feind geben, was er nicht hat.«
    »In dem Sinne, dass wir gleichzeitig seine Gegner und seine Komplizen sein müssen?«
    »Genau das.«
    »Das ist absurd! Ein unvollkommener Feind sollte ein Vorteil sein, die Garantie, gewinnen zu können.«
    Flug schweigt erneut, lange, ohne uns anzusehen. Seine Argumentation hat sich aus einem Geistesblitz entwickelt, den ich hatte, doch er hat die Gabe, aus einem Funken ein Feuer zu machen. Ich dagegen bleibe beim Funken, ich hüte ihn, ohne etwas zu tun.
    Er ist noch eine Weile still, lässt uns spüren, dass dieses Stillsein für ihn Arbeit ist; dann, als wir schon keine Antwort mehr erwartet hätten, hebt er den Kopf und fixiert uns aus Augen, die gleichzeitig schwarz und transparent sind.
    »Und wer hat gesagt, dass wir gewinnen wollen?«, fragt er.
     
    Als die Schule wieder anfängt, beschließen wir, dass wir vor allen Dingen sichtbar werden müssen. Eines Morgens kommen wir sehr früh ins Klassenzimmer, viel zeitiger als die anderen. Unsere Klasse ist in diesem Jahr im Erdgeschoss. Wir ziehen gelbe Gummihandschuhe an, solche, die man zum Spülen nimmt. Nachdem wir den Papierkorb, der unter der Tafel steht, mit Zeitungen gefüllt haben, gießen wir Spiritus darüber. Dann werfen wir ein Streichholz hinein. Als Schüler und Lehrer den Rauch bemerken und angerannt kommen, finden sie sich vor einem Brandherd wieder, der sich ausbreitet und auch das Plastik des Papierkorbs angreift. Wir beobachten alles durch die Fenster vom Hof aus.

    Ein andermal warten wir ab, bis das Klassenzimmer sich in der Pause leert. Von den Kleiderhaken, die an den Wänden der Klasse angebracht sind, nehmen wir leichte, noch sommerliche Jacken und stopfen sie unter das Lehrerpult in die Öffnung, wo normalerweise das Klassenbuch hineingelegt wird, und in die Schublade, die wir ganz herausziehen. Erneut Spiritus, erneut ein Streichholz und Feuer. Diesmal gehen wir hinaus und kommen zusammen mit den anderen wieder in die Klasse, geben uns aufgeregt und empört. Mit den Gummihandschuhen, die unsere Taschen ausbeulen, stehen wir dann ganz benommen da und betrachten das brennende Pult, die Flammen, die aus dem Inneren lodern, den Brand, wie er wütet und das Rechteck der Schublade erfasst.
    Sofort bricht in der Schule Angst aus. Wir sind stolz. Der Direktor beruft eine Vollversammlung ein, auch die Eltern kommen. Die allgemeine Auffassung ist, dass jemand von außerhalb günstige Gelegenheiten ausnutzt, um unbeobachtet in die Klassenzimmer einzudringen und dort seine Zerstörungswut auszulassen.
    Wir hören zu. Es fehlt noch etwas.
    Wir lassen ein paar Tage vergehen, warten, bis alle davon überzeugt sind, dass es sich lediglich um ein paar Streiche gehandelt hat. Dann, an einem Tag, an dem die Schule auch am Nachmittag geöffnet ist, gehen wir, sobald es zum letzten Mal geläutet hat und die Schüler die Schule verlassen, in die im inneren Bereich liegende Turnhalle, schlitzen mit einem Küchenmesser den Kunstlederbezug der Hochsprungmatratze auf, ziehen den gepressten Schaumstoff heraus und verstreuen ihn im Raum. Bevor wir ihn anstecken, schreibt Flug mit einem schwarzen Filzstift das Datum und die Uhrzeit an die Wand, damit es keine Missverständnisse gibt, und dann unsere Nachricht.
    SELIG, WER DARAN GLAUBT,
WIR, NEIN, WIR GLAUBEN NICHT DARAN.
    Und darunter, als Unterschrift: NOI, das sind WIR.

    Die Idee, einen Vers der Erkennungsmelodie von Di nuovo tante scuse zu benutzen, stammt vom Genossen Strahl. Es ist die Fortführung der Logik des Alphastumm oder eine politische Neuinterpretation der italienischen Dummheit, in diesem Fall eines Schlagertextes. Uns gefällt die Vorstellung, dass jeder, der den Spruch in der angezündeten Turnhalle liest, in sich die Stimmen von Raimondo Vianello und Sandra Mondaini hören muss. Es ist ein frecher Streich.
    NOI dagegen ist der Name unserer viralen

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