Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
fragte Sandro.
»Wenn jemand in Eurem Zustand nach einer Frau fragt, muss sie ihm viel bedeuten«, sagte Forli. Nach einem auffordernden Blick Sandros, gab er Auskunft. »Nicht gut, fürchte ich. De Soto hat die Befragung an sich gerissen, wie alles andere auch. Ihr hattet recht, als Ihr mich heute Morgen gewarnt habt. Es ist, als würde die Stadt ihm gehören. Morgen will er eine Proklamation erlassen: Denunziation, Verfolgung, Folter, Prozesse, öffentliche Hinrichtungen, Teufelsaustreibungen … Sieht aus, als stünden der Stadt, in der ich geboren bin und jeden Tag meines Lebens verbracht habe, unruhige Zeiten bevor. Eure Antonia ist leider die Erste, die diesem Wahnsinn zum Opfer fällt.«
»Bin ich verhaftet? Oder kann ich auf Euch zählen?«
»Wobei?«
»Wir können Luis aufhalten.«
»Wie?«
»Indem Ihr ihm diesen Umschlag bringt. Sagt ihm, dass Matthias Hagen ihn abgegeben habe und dass er äußerst nervös wirkte.«
»Ich verstehe nicht …«
»Den Inhalt hat Antonia geschrieben, sie kann Hagens Handschrift täuschend ähnlich nachahmen. Luis wird dadurch weggelockt, runter zum Fluss.«
Forli runzelte die Stirn. »Zum Fluss? Und wenn schon, er kommt wieder zurück.«
Sandro richtete sich auf und versuchte, seine Schmerzen zu verbergen.
»Nein«, sagte er. »Er wird nicht wieder zurückkommen.«
Sandro fand eine idyllische Situation vor, was nach all der Aufregung guttat anzusehen. Innocento del Monte lag auf dem Bett, neben ihm der alte Boccaccio; seine Schnauze auf dem Bauch seines Herrn, ließ er sich kraulen. Der Hund war sterbensmüde, aber er stellte die Ohren auf und wedelte schwach mit dem Schwanz, als er Sandro hinter dem Teppich hervorkommen sah.
Sandro räusperte sich und flüsterte: »Innocento!« Er wusste nicht, was ihn dazu brachte, den Kardinal bei seinem Vornamen zu rufen.
Innocento schreckte auf. Sandro gab ihm ein Zeichen, leise zu sein. Niemand durfte erfahren, dass Sandro hier war, am allerwenigsten der Papst, der im Raum nebenan Quartier bezogen hatte.
Boccaccio winselte, woraufhin Innocento ihn mit einer zärtlichen Liebkosung beruhigte.
»Wie – wie bist du hereingekommen, Sandro?«
Er erzählte Innocento kurz von dem Geheimgang, verschwieg allerdings Carlottas Absichten. Diese Geschichte hätte jetzt, wo die Zeit drängte, nur abgelenkt.
»Ich weiß nicht genau, inwieweit du in de Sotos Machenschaften verstrickt bist«, sagte Sandro. »Aber ich weiß, dass du den Wahnsinn, den er anrichten will, nicht mitträgst.«
»Überhaupt nicht!«, erwiderte Innocento, ein wenig zu laut, so dass Sandro ihm ein weiteres Mal bedeuten musste, leise zu sprechen. »Überhaupt nicht«, wiederholte Innocento leiser. »Es stimmt, ich verwahre die Gelder, die de Soto für seine Bestechungen benötigt, denn mein Vater wollte solche riesigen Summen nicht de Soto direkt anvertrauen. Insofern stecke ich in der Sache mit drin.«
»Und Hagen? Weißt du, dass de Soto und Matthias Hagen sich verschworen haben?«
Innocento schloss kurz die Augen und fasste sich an die Stirn.
Sandro fluchte leise. »Verstehe. Also weiß dein Vater auch davon?«
»Ja. Als de Soto ihm erzählte, er habe Hagen bestechen und somit zum Verräter an der protestantischen Sache machen können, war mein Vater begeistert.«
Sandro unterbrach Innocento mit einer Geste. »Moment, das stimmt nicht. Hagen hat sich nicht bestechen lassen, im Gegenteil, er hat fleißig mitbestochen. Der Herzog von Württemberg will die Vereinigung ebensowenig wie dein Vater.«
Innocento lachte stimmlos. »Dann hat de Soto meinen Vater angelogen. Der Grund leuchtet ein, denn auf diese Weise erscheint seine Leistung noch größer. Wenn ich meinem Vater davon erzähle …«
Sandro unterbrach, denn ihm fiel wieder ein, dass er sich beeilen musste. »Willst du mir helfen, Innocento?«
»Das weißt du doch.«
»Auch wenn es dir Ärger einbringt?«
»Du hast dein Leben für mich riskiert, mehr Ärger kann man, glaube ich, nicht auf sich nehmen. Ich werde es schon überstehen.«
Sandro atmete erleichtert auf. »Gut, dann warte noch eine Weile, ungefähr eine Stunde. Danach gehst du zum Palazzo Pretorio und behauptest, dein Vater wolle die Verdächtige Antonia Bender sprechen.«
»De Soto wird sie nicht gehen lassen, er weiß, dass mein Vater sie nicht sprechen will.«
»De Soto wird abgelenkt sein. Ein fingiertes Schreiben lockt ihn – ungefähr in diesem Moment – zum Fluss, und von den Wachen wird sich niemand einem Auftrag, den
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