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Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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hereingebeten und, ohne es zu wissen, damit sein Leben verändert. Seines, das seiner Mutter und das des Fremden, Matthias Hagen.
    Was für einen Sinn, dachte Sandro jetzt, während er den Schatten hinter dem Fenster betrachtete, hätte es, mit Matthias über das zu sprechen, was damals vorgefallen war, an jenem heißen Sommertag, als das Pflaster glühte, und in den Tagen darauf? Ein solches Gespräch war nur sinnvoll, wenn Sandro bereit wäre, sich zu entschuldigen, und das kam unter keinen Umständen in Frage. Eher würde er sterben, als vor diesem elenden Lump zu kriechen!
    Abrupt wandte er sich ab und ging mit schnellen Schritten die Gasse entlang, bog um die Ecke und lief immer weiter. Dunkelheit hatte sich über alles gelegt, und Dunkelheit fand sich auch in Sandros Innerem. Zorn, Eifersucht und Ekel vermischten sich zu einem Gebräu, das ihm wie Fieber durch die Adern floss. Schließlich rannte er. Er rannte mit dem Wind über den Domplatz in den Dom, den er zum dritten Mal an diesem Tag betrat. Dort angekommen, tastete er sich durch die Finsternis zum Altar vor. Er entzündete keine Kerze, denn er wollte sein Gesicht vor den Augen verbergen, die vom großen Kruzifix über ihm und von den Madonnen zu beiden Seiten auf ihn herabblickten. Er betete:
    Hilf mir, diesen Hass zu bezwingen. Ich hatte ihn schon vergessen, jetzt merke ich, dass er immer in mir war, all die Jahre. Er wird größer und frisst mich auf, so wie damals.
    Eine Weile wartete er, so als hoffe er darauf, dass sich ganz plötzlich irgendetwas verändern würde.
    Doch das Einzige, was geschah, war, dass er für einen kurzen Moment aufhören konnte, an Matthias zu denken. Er blickte dorthin, wo sich Antonias Kirchenfenster mit der Apokalypse befanden, aber es waren nur sieben schwarze Löcher zu sehen, wie die sieben Eingänge zur Hölle.
    Und führe mich nicht in Versuchung …

Zweiter Teil

6
    10. Oktober 1551,
ein Tag vor Eröffnung des Konzils
     
    A ntonia stürzte aus Carlottas Zimmer, warf die Tür hinter sich zu und rannte, so schnell sie konnte, den in der Morgendämmerung liegenden Gang entlang. Sie schmeckte Blut auf der Lippe. Die Kehle brannte ihr vor Schmerz. Ihre Haare hatten sich aus der Frisur gelöst und klebten im Gesicht.
    Sie stolperte nach wenigen Schritten, fiel und schlug sich das Knie auf. Ohne auf den Schmerz zu achten, blickte sie hinter sich, um zu sehen, ob sie verfolgt wurde. Als Carlottas Tür sich öffnete, wartete Antonia nicht auf die Gestalt, die sich gleich zeigen würde, sondern sprang auf und rannte weiter, um eine Ecke, um zwei Ecken … Sie suchte den Treppenaufgang in den oberen Stock, wo ihr Atelier lag, doch in den verwinkelten Gängen des alten Palazzos verlief sie sich, und sie fürchtete, irgendwie wieder an den Ausgangspunkt ihrer Flucht zu gelangen. In einem dunklen Seitengang, der abrupt endete, lehnte sie sich an die Wand und atmete so leise wie möglich.
    Sie war nur knapp dem Tod entronnen.
    Gleich nach Sonnenaufgang war Hieronymus zur Santa Maria Maggiore gegangen, und Antonia hatte ihrer Freundin Carlotta einen Überraschungsbesuch abstatten wollen.
    »Frag sie bitte, ob sie heute Abend mit mir essen möchte«, hatte Hieronymus gesagt, bevor sie sich trennten.
    »Demnach möchtest du nicht zu Matthias mitkommen?«
    »Lieber nicht, Antonia. Weißt du, dieses Wiedersehen ist eine Sache zwischen euch beiden.«
    »Du magst ihn nicht, oder?«
    »Er ist Bertholds Sohn, der Sohn eines Mannes, der mich mit seinem letzten Atem verflucht hat.«
    »Und heute lädt dieser Sohn dich in sein Haus ein. Er ist wieder der Matthias, der er war, bevor sein Vater ihn verdorben hat.«
    »Können verdorbene Äpfel wieder essbar werden?«
    »Sagte ich ja: Du magst ihn nicht.«
    Zum Abschied kniff Hieronymus ihr in die Wange. »Ich wünsche euch nichtsdestotrotz einen schönen Abend.«
    Der Palazzo war schon erwacht. Während Antonia sich auf den Weg ins Erdgeschoss machte, hörte sie von überall her die Geräusche des Morgens. Die ersten Bediensteten waren bereits auf dem Weg zu ihren Herren, Wäscherinnen sammelten Kleidersäcke ein, in der Luft mischte sich der mehlige Duft von Hafergrütze mit den Ausdünstungen klammer Kleider. Im Erdgeschoss war es dort, wo es keine Fenster gab, stockdunkel, und Antonia, die nur ungefähr wusste, in welchem Zimmer Carlotta untergekommen war, musste sich langsam vorantasten. Zweimal fragte sie Leute vergeblich nach Carlottas Quartier, erst ein Dritter konnte ihr helfen, wobei

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