Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
Fährte gerochen hat. Keine Ruhe hat er mir gelassen, ständig redete er auf mich ein überzutreten, morgens fing er damit an und abends ging er damit ins Bett. Es verging kein Tag ohne seine kleinen Spitzen und großen Vorwürfe. Sonntags war es besonders schlimm, wenn er aus der Kirche kam, wo der römische Glaube wieder einmal gegeißelt worden war. In den Wahnsinn trieb er mich, und irgendwann – ich weiß nicht mehr genau, wann – wachte ich nachts auf und verspürte nur noch Abscheu vor ihm. Gott vergebe mir, aber ich konnte deinen Vater nicht mehr lieben und nicht einmal mehr achten. Ein paar Tage trug ich es mit mir herum, dann sagte ich es ihm frei heraus. Sein Kopf füllte sich mit Blut, seine Adern schwollen an, und er entgegnete mir, dass er mich so lange prügeln würde, bis ich das zurücknehmen und mich zum reformierten Glauben bekennen würde. Daraufhin hielt ich ihm das Kreuz vor Augen – dieses Kreuz hier an meiner Brust – und erwiderte, dass er sich nur versündigen und nichts erreichen würde. Er schlug mich dennoch.«
»Wie starrköpfig von dir.«
»Ich war nicht starrköpfiger als er. Er hatte seinen Glauben, und ich hatte meinen. Niemand hat ihn gezwungen, Protestant zu werden. Wäre er doch nur geblieben, was er war.«
»Es war deine Entscheidung, die Ehe annullieren zu lassen, nicht seine. Du bist es, die gegangen ist, die mich verlassen hat.«
»Das ist wahr. Ich hielt es nicht mehr aus, ich konnte nicht mehr. Die Schläge und der Zorn waren noch das Wenigste, aber zu sehen, wie er dich zu seinem Geschöpf machte, überstieg meine Kraft.«
»Geschöpf? Was redest du da?«
»Er hat dir täglich Predigten gehalten, und mit jedem Monat, der verging, hast du ihm mehr geglaubt. Natürlich, wo ein Apfel nahe bei einem faulen Apfel liegt, wird er bald …«
Matthias ergriff Elisas Handgelenke und hielt sie fest. »Du … Du hast jedes Recht verwirkt, Vorwürfe zu erheben.«
Elisa sah ihm tief in die Augen. »Genauso sah dein Vater aus, als er nach der Annullierung unserer Ehe meine Handgelenke zusammenpresste und mir verbot, dich je wiederzusehen. Er drohte, mich andernfalls umzubringen, und als er merkte, dass mich das nicht einschüchterte, drohte er sogar, dich umzubringen.«
»Lügnerin!«
»Wenn dir meine Wahrheit nicht passt, steht es dir frei zu gehen. Berthold hätte dich lieber tot gesehen, als dich irgendwann an eine Katholikin zu verlieren. Ich musste bei Gott schwören, niemals wieder ein Wort mit dir zu wechseln. Wie durch ein Wunder trat noch am selben Tag Carissimi in mein Leben, wir heirateten bald, und ich ging mit ihm nach Rom. Den Rest kennst du. So, und jetzt lass mich in Ruhe. Es ist zu spät für einen Neuanfang. Du bist mein Sohn, und doch bist du es nicht. Du hast das Wesen deines Vaters. Ich kann dich nicht lieben. Nicht auf die Weise, die ein Kind verdient.«
»Liebe! Ich bin nicht deiner Liebe wegen gekommen!«
»Ich glaube, doch.«
»Deine Liebe ist ein Misthaufen, Elise, sie stinkt und ist nichts wert. Du bist eine Frömmlerin, du erfindest Geschichten, an die du hinterher glauben kannst, um dich vor dir selbst zu rechtfertigen. Carissimi ist nicht erst in dein Leben getreten, als die Ehe annulliert wurde. Als ich kürzlich in deinem Palazzo war, habe ich sein Porträt gesehen: Diesem Mann bist du schon Wochen vorher begegnet, bevor du Vater verlassen hast, daran erinnere mich genau. Mit mir an der Hand hast du dich mit ihm getroffen. Während ich draußen wartete, bis du mit ihm in eine Kutsche gestiegen. Du bist eine Hure, Elise, eine schmutzige, dreckige, gottlose …«
»Das reicht jetzt«, hatte Sandro gerufen und war aus dem dunklen Winkel vorgetreten, in dem er sich verborgen und alles mit angehört hatte. Er war auf Matthias zugegangen und hatte ihn in entschlossenem Ton aufgefordert, seine Mutter loszulassen. Dann hatten sie sich gegenübergestanden, mitten in der Kapelle. Matthias war einen halben Kopf größer gewesen, mit breiten Schultern und einem kalten, eiskalten Blick.
Und da war es zum ersten Mal gespürt, dieses Gefühl, das Sandro immer wieder aufwühlte, sobald er seinen Halbbruder sah oder auch nur an ihn dachte, das Gefühl, Matthias sei ein Hindernis, ein gewaltiger, sperriger Gesteinsbrocken in seinem Leben. Nie hatte er ihn bezwingen können.
Bis heute.
Sandro beobachtete den Atem, der aus seinem Mund in die kalte Luft des Treppenaufgangs stieg. Er fasste einen Entschluss.
Ohne Hast verließ er den Treppenturm und mischte
Weitere Kostenlose Bücher