Die Glaszauberin pyramiden1
nahm.
Sie hatten eine Woche. Ich konnte einen oder zwei Tage darüber nachdenken, es ihnen dann sagen. Boaz beobachten, herausfinden, ob er mich schärfer im Auge behielt als sonst.
Das viel drängendere Problem war, was mit dem Papyrusfetzen geschehen sollte. Am Ende verbrannte ich ihn. Wenn Boaz nicht darüber Bescheid wußte, dann würde er ihn auch nicht vermissen. Wußte er, daß er hier lag, dann würde er sowieso erwarten, daß ich ihn verbrannte.
»Sei verdammt, Boaz«, murmelte ich, als ich zusah, wie die Worte zu Asche verbrannten. »Sei verdammt, ob du es nun absichtlich dort hingelegt oder verloren hast.«
Ich ließ die Asche verschwinden, dann machte ich mich an mein Tagewerk und beobachtete Boaz so genau, wie ich konnte, ohne Verdacht zu erregen.
Aber er gab mir keinen Fingerzeig. Der einzige, falls man ihn so bezeichnen wollte, kam am dritten Tag der Woche, als er mir die Erlaubnis gab, Isphets Werkstatt ohne Begleitung zu besuchen. Irgendwie überraschte es mich nicht, Yaqob dort vorzufinden.
»Tirzah!« Er nahm meine Hand und lächelte, unternahm aber keine Anstalten, mich zu küssen. »Du siehst, nun, verwöhnt aus.«
Ich errötete. Boaz fand das weiße Gewand, das ich jeden Tag getragen hatte, im Laufe der Zeit langweilig, und so besaß ich jetzt mehrere Kleider von unterschiedlicher Pracht, die aber alle vom gleichen Schnitt und der gleichen Mode wie das weiße Gewand waren. Heute trug ich ein zitronenfarbenes Gewand mit dunkelgrünen und roten Mustern am Saum und auf der Brust, das von einem Kragen aus roten und goldenen Perlen herabfiel. Meine Haut glänzte vor Gesundheit nach einem Monat guter Mahlzeiten und einem bequemen Bett. Ich hatte ein neues Kohol in Hellgrau entdeckt, das das Blau meiner Augen besser zur Geltung brachte. Ich sah wie eine Frau aus, die mit ihrem Schicksal zufrieden war.
Vermutlich war das ein Fehler. Ich hätte die Mundwinkel nach unten ziehen und mir die Augen rotreiben sollen, bevor ich Yaqob unter die Augen trat.
»Wie ich sehe, tut er dir nicht ›weh‹«, sagte er ausdruckslos, und ich zuckte zusammen.
»Yaqob, bitte…«
»Tirzah.« Jetzt stand Isphet auf und küßte mich auf die Wange. »Was gibt es Neues?«
»Oh, ich langweilte mich bei meiner…« Bei den Soulenai! Beinahe hätte ich »Übersetzung« gesagt, und dann dachte ich: Wissen sie es? Holdat war ebenfalls ein Sklave und hatte Verbindungen außerhalb der Magiersiedlung; möglicherweise hatten auch die Wächter getratscht. »Ah, meine erzwungene Faulheit langweilt mich, Isphet. Ich sehne mich danach, wieder bei euch zu sein.«
Ich hoffte, daß sie mir die Lüge nicht vom Gesicht ablesen konnten. Ich genoß ihre Gesellschaft, und ich besuchte sie gern, aber ich gewöhnte mich auch langsam an die kleinen Annehmlichkeiten des Lebens bei Boaz.
So wie ich mich an Boaz selbst gewöhnte. Auch an seine abweisende Magierhaltung. Mir wurde klar, daß ich das Leben mit ihm schätzte. Es würde sehr schwer werden, es wieder aufzugeben, sollte ich gehen müssen.
»Ich hoffe«, sagte Isphet sehr bedächtig, »daß du dich nicht so sehr an dein Leben des Nichtstuns gewöhnt und vergessen hast, wie das Leben einer Sklavin aussieht?«
»Und daß du nicht vergessen hast, wofür wir alle kämpfen«, sagte Yaqob und befühlte den feinen Stoff meines Kleides.
»Für die Freiheit«, sagte ich sehr leise.
Er nickte. »Erzähl es uns.«
»Oh, Yaqob, es gibt nicht viel zu erzählen. Wir stehen jeden Morgen auf, Boaz geht zur Pyramide, ich staube ab und döse bis zu seiner Rückkehr, wir essen, wir gehen zu Bett.« Ich lachte unsicher. »Ich könnte die Frau eines langweiligen Bürgers sein, würde sich Boaz nicht wie ein Magier benehmen und auch so kleiden.«
Yaqob und Isphet blickten sich an.
Ich suchte Zuflucht in Wut. »Er sagt mir gar nichts! Er vertraut mir nicht! Wäre es euch lieber, wenn er mich schlägt, mich so verletzt wie an jenem Morgen, statt mich größtenteils in Ruhe zu lassen? Wollt ihr mir nicht mehr vertrauen, bloß weil ich ihn bei Laune halten will? Wollt ihr…«
»Pst«, sagte Isphet und sah beschämt aus, wodurch ich mich nur noch schlechter fühlte. »Tirzah, es tut mir leid. Es muß schwer für dich sein.«
»Nun«, sagte ich, »ich weiß nicht, ob das von Nutzen sein wird oder nicht, aber…«
»Ja?« Isphet und Boaz beugten sich vor.
»Boaz und seine Gefährten haben über das Datum der Fertigstellung der Pyramide gesprochen. Es wird einen Einweihungsakt
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