Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel
auch diesmal nicht zu beachten. „Sehen Sie, das ist Ganesh , der Sohn des tanzenden Nataraj “, sagte er, nachdem sich sein Gelächter wieder gelegt hatte. Er zeigte mit ausgebreiteten Armen auf einen Buddha aus Bronze zwischen den zwei Schalen mit Räucherkerzen. Er hatte einen Elefantenrüssel. „Das ist der Lieblingsgott unserer Familie und unser Glücksbringer. Er beschützt mich und mein Eigentum besser als der sicherste Geldschrank.“ Er lachte wieder und sagte plötzlich: „Gehen wir.“
Als der gertenschlanke Sekretär bereits die Tür geöffnet hatte, legte der Meister seinem Besucher die behaarte Hand auf die Schulter. „Aber Sie haben ja keinen Ganesh , Sie müssen also selbst auf sich aufpassen...“
Inzwischen hatte der Sekretär die Musik abgeschaltet, mit einer Handbewegung, die sein schweres Goldarmband vorteilhaft zur Wirkung brachte. Die Glaskugel ließ er so, wie sie war.
Er huldigte damit dem Sport vieler Hotelgäste, die in ihren Zimmern sämtliche Lampen einschalten, selbst wenn es heller Tag ist, und auch beim Weggehen das Licht im Zimmer brennen lassen. Es kostet sie ja nichts.
Als die drei auf den Korridor getreten waren, verschloß der elegante Sekretär die Suite und ließ den Schlüssel in seinem Jackett verschwinden.
Beim Gang zum Lift trippelte der indische Meister mit einer bei seiner Dickleibigkeit erstaunlichen Beweglichkeit vor den anderen her.
„Sie haben mir wirklich sehr geholfen“, versicherte das Dutzendgesicht zwischen der fünften und der dritten Etage noch mit einem Lächeln, wobei sich wieder einmal ein Grübchen auf seiner linken Wange bildete.
„Das freut mich“, bemerkte der große Kunwar Singh und lächelte zurück. Dabei öffneten sich auch schon die Türen zur Halle.
Ein halbes Dutzend Pressefotografen hatte den Hellseher erwartet und fiel augenblicklich mit seinen Blitzlichtern über ihn her.
„ Please , ladies and gentlemen “, rief der junge Sekretär in seinem fabelhaft eleganten Anzug. „Haben Sie Geduld, der Meister steht Ihnen doch drüben in der Bristol-Bar ausreichend zur Verfügung.“
Da gleichzeitig andere Hotelgäste in den Lift kamen, blieb das Dutzendgesicht mit seinem falschen Kinnbart einfach stehen. Es fiel gar nicht auf, daß er sich von dem beleibten Inder und seinem Sekretär nicht verabschiedete und wieder in die sechste Etage zurückfuhr.
Der Korridor lag still und wie ausgestorben da.
Der Mann in dem taubenblauen Einreiher von Generaldirektor Dr. Glossner holte den nachgemachten Sicherheitsschlüssel aus der Tasche und steuerte gemächlich die Richtung an, in der die Bellevue-Suite lag.
Da hörte er ein Geräusch. Er blieb stehen, bückte sich und machte sich am Schnürsenkel seines rechten Schuhs zu schaffen. Als er dabei vorsichtig den Kopf hob, entdeckte er ganz am Ende des Ganges, wie ein Zimmermädchen seinen Wagen mit Handtüchern, Bettwäsche, Putzzeug und Toilettenpapier um die Ecke schob. Jetzt stellte sie den Karren zur Seite und ging auf eine Zimmertür zu, öffnete sie, verschwand und kam nach einiger Zeit mit schmutziger Wäsche zurück. Sie verstaute sie in einem großen Beutel, der an dem verchromten Schiebewagen hing, dann nahm sie frisch gewaschene Tücher und einen Kunststoffeimer mit Bürsten und Reinigungsmitteln heraus. Das Mädchen war ältlich, seine Bewegungen waren langsam, und es hatte einen watschelnden Gang. Sein Schneckentempo kam dem Rosafarbenen wie gerufen. Vermutlich hatte es wohl gerade mit seiner abendlichen Tour begonnen. Es würde jetzt ein Zimmer nach dem anderen aufschließen, in Ordnung bringen, was die Gäste tagsüber gebraucht oder verunreinigt hatten, und für die Nacht die Schutzdecken von den Betten verschwinden lassen. Wenn es der Reihe nach vorging, mußte es etwa ein dutzendmal dasselbe tun, bevor es die Bellevue-Suite erreichte.
Es blieb also nicht allzuviel Zeit.
Als das Zimmermädchen abermals hinter der geöffneten Tür verschwand, reagierte deshalb unser Mann mit dem falschen Kinnbart in Sekundenschnelle. Schon nach vier oder fünf raschen Schritten hatte er die Tür mit der Nummer 605 unmittelbar vor sich. Er hielt an. Kein Laut drang aus dem Innern. Er nahm dünne schwarze Lederhandschuhe aus der Tasche und streifte sie über. Er spürte, wie sein ganzer Körper plötzlich angespannt war. Er steckte behutsam den nachgemachten Schlüssel ins Schloß und sperrte auf. Es funktionierte butterweich und geräuschlos. Auch die Tür öffnete sich unhörbar. Er zog den
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