Die Goblins 01 - Die Goblins
in diesen Trichter des Todes zu springen. Das Wasser bespritzte sie alle, als es an Ryslinds Eispfad vorbeiwirbelte, und Jig zitterte. Ob wegen des Eises oder weil das Wasser selbst hier kühler war, jedenfalls brachte die Luft eine schneidende Kälte mit sich. Jig wünschte sich, etwas mehr Kleidung als seinen alten Lendenschurz zu tragen.
»Es ist etwas dort unten«, sagte Ryslind mit angespannter Stimme. »Ich spüre eine Zunahme von Macht unter uns, und keine der Kreaturen ist in die Nähe dieses Ortes gekommen.«
Natürlich nicht, dachte Jig. Echsenfische mochten dämlich sein, aber kein Monster war so dämlich. Außer vielleicht ab und zu ein Goblin. Und natürlich Abenteurer.
»Haltet die Luft an. Bevor ihr in den Wirbel eintaucht, werde ich einen Spruch weben, der eure Lungen stärkt, aber ihr müsst gegen das Verlangen zu atmen ankämpfen. Wasser ist ein mächtiges Element, und es wird euch seine ganze Macht entgegenschleudern. Wenn ihr versagt, werdet ihr sterben.«
Mit dieser Verkündung legte er seine Fingerkuppen auf Darnaks Schulter. Der Zwerg wartete, bis der Zauberer fertig war. Mit einem düsteren Blick in Richtung Kavernendecke rief er: »Erdemacher beschütze mich!« Etwas leiser fügte er hinzu: »Aber wenn du mir erzählt hättest, was ich alles durchmachen muss, damit diesen beiden hier nichts zustößt, hätte ich dich aufgefordert, statt meiner einen verdammten Nix zu schicken.«
Er vergewisserte sich, dass seine Keule sicher an seinem Gürtel befestigt war, zog die Riemen an seinem Rucksack fest und sprang ins Wasser. Jig versuchte, sein Vorwärtskommen zu verfolgen. Einige Male sah er den Zwerg wie einen Korken vorbeihüpfen, die Haare platt an den Kopf gepresst und wild mit den Armen rudernd. Einmal schoss ein Paar Füße in Stiefeln an ihm vorbei. Dann wurde Darnak vom Wasser in die Tiefe gezogen, und Jig verlor ihn aus den Augen.
Barius ging als Nächstes, gefolgt von einer wider-willigen Riana. Als die Reihe an Jig kam, konnte er nicht anders, als ans Ufer zurückzuschauen. Jetzt bereute er, letzte Nacht nicht die Chance zur Flucht ergriffen zu ha-ben. Vielleicht hätte er sich tatsächlich an den Hobgob-lins vorbeischleichen können. Und wenn er es zurück zur Höhle geschafft hätte, wäre ihm auch etwas eingefallen, um Poraks Tod zu erklären; es hätte bestimmt einen Weg gegeben. Warum war er nicht weggelaufen, als er die Möglichkeit dazu gehabt hatte?
Sein Herz raste, und Jig wurde klar, dass er entsetzliche Angst hatte. Er stand dicht davor, seinen Lendenschurz zu beschmutzen. Als Ryslinds Finger seine Stirn leicht berührten, jaulte er erschrocken auf.
Die Berührung des Zauberers war kalt, beinahe skelettartig. Jig fröstelte, und sein Kopf fühlte sich dumpf an. Zwischen einem Atemzug und dem nächsten schien ihn die schlimmste Erkältung seines Lebens erwischt zu haben. Seine Augen tränten.
»Denke daran, die Luft anzuhalten«, schärfte ihm Ryslind ein.
Jig starrte auf den Wirbel. Das Eis erstreckte sich sogar ein paar Zoll über den Rand hinaus, sodass er mehrere Fuß in das eiskalte Wasser fallen würde. Alles was er tun musste, war zu springen. Die anderen hatten es getan.
Ein erneuter Blick zurück zeigte ihm, dass er keine Wahl hatte. Hinter ihnen tobten die Wellen mit ungebrochener Gewalt; die Brücke aus Eis hatte zu schmelzen begonnen. Es gab kein Zurück.
Aber er konnte auch nicht vorwärts. Nicht da hinein. Der Strudel war ein gigantischer Schlund, der darauf wartete, ihn zu verschlingen. Der See hatte auch die anderen in Sekundenschnelle verschlungen. Er hatte Rianas vor Angst weißes Gesicht gesehen, während sie wild mit den Armen ruderte und versuchte, den Kopf über Wasser zu halten. Keine ihrer Bemühungen hatte den See im Geringsten beeindruckt. Wie Ryslind gesagt hatte – Wasser war ein mächtiges Element. Warum sollte Jig dem Hunger des Sees geopfert werden?
Tränen rannen seine Wangen hinab. Er wischte sie auf seine Schultern. Jig hatte von dem Moment an, als er die Abenteurer zum ersten Mal gesehen hatte, damit gerechnet zu sterben. Aber der Tod durchs Schwert war eine Sache. Das hier war Furcht in einem völlig anderen Maßstab. Im Kampf hatte man wenigstens keine Zeit, dem Tod beim Herannahen zuzusehen. Der Mahlstrom hingegen erwiderte Jigs Blicke. Er verspottete ihn. Im Zentrum des Kegels war die Wasseroberfläche spiegelglatt und klar, und nur die weißen Schaumkronen an den Rändern deuteten auf die wahre Macht der Wassermassen
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