Die Godin
wissen, wann er geheiratet hat?«
»Nein, das langt mir schon. Ich habs mir eh denkt.«
»Wie kommens überhaupt drauf?«
»Geht Ihnen nichts an.«
Der Gemeindediener war beleidigt. »Das wird ich das nächste Mal auch sagen, wenns mich anrufen, Herr Inspektor. Ich weiß schon, in der Bezirksinspektion, da ist man halt was Besseres!«
»Na, von mir aus«, schnarrte die Stimme aus dem Hörer, »wir haben das Zeug vom Aichinger Martin…«
»Der im Zuchthaus verbrannt ist.«
»Genau! Wir haben das Zeug endlich aufräumen wollen. Und da war auch sein Ehering darunter. Eher aus Zufall haben wir gschaut, was draufsteht. Und da ist ein Heiratsdatum eingeprägt gewesen. 10. August 1911.«
Der Gemeindehelfer schwieg verdattert.
»So? Komisch«, sagte er dann.
»Ich wüßt noch was viel Komischeres.« Der Anrufer legte auf.
Kajetan hatte sich von einem Knecht, der ihm mit einem Ochsengespann entgegengekommen war, den Weg nach Allerberg erklären lassen. Es sei nicht weit, hatte der Fuhrmann erklärt, in weniger als einer Stunde sei er dort. Außerdem sei es schließlich nicht mehr so heiß wie am Mittag.
Er hatte beschlossen, doch noch Kontakt zum Besitzer jenes Hauses aufzunehmen, für das Mia ein Wohnrecht zugesprochen worden war. Vielleicht hatte sie versucht, sich dieses Recht ablösen zu lassen? Hatte sie dort etwas über ihre Mutter erfahren, die in der privaten Irrenanstalt in Allerberg gestorben war? Vielleicht hatte es Mia interessiert, an welcher Krankheit sie gelitten hatte?
Die private Irrenanstalt des Doktor Kroepius war in einem alten Herrenhaus untergebracht, welches früher einmal zum Sarzhofener Kloster gehört hatte. Es lag friedlich im warmen Licht der späten Nachmittagssonne. Als Kajetan an das hohe Gittertor trat und an der Glocke zog, sah er, daß die Fenster trotz der warmen Witterung verschlossen, die meisten sogar vergittert waren.
Vor Anstrengung keuchend und mit heftig rudernden Armbewegungen kam ein alter Wärter in einem abgetragenen Arbeitsmantel an das Tor. Kajetan wiederholte das Märchen von Mias Nachlaß und fügte hinzu, daß die Interessen der Anstalt, falls diese noch Ansprüche an die verstorbene Insassin hätte, bei der Testamentseröffnung auf jeden Fall berücksichtigt werden müßten. Er hätte sich die Lüge sparen können; der Alte verstand nur das Wort »Nachlaß«, ließ ihn dienstfertig ein und begleitete ihn zum Portal. Er müsse einen Augenblick warten, kündigte er an, der Doktor befände sich gerade bei einer Behandlung, würde aber bald damit fertig sein.
Beide betraten das kühle und menschenleere Foyer. Das Gebäude war offensichtlich seit längerem nicht mehr renoviert worden; ein stechender Geruch von Reinigungsmitteln drang an Kajetans Nase. Der Wärter führte ihn durch einen Flur, öffnete eine Tür und wies gnädig auf einen Sessel.
»Nehmens doch solang Platz. Wenns entschuldigen - ich muß noch ein paar Schreibereien zu End machen.«
Er ging hinter einen massigen Schreibtisch und zog einen Stapel Blätter zu sich. Kajetan hatte sich gesetzt und sah sich unauffällig um. Das Gebäude erinnerte ihn an ein Gefängnis.
Er versuchte, mit dem Alten ins Gespräch zu kommen. »Ist allerweil viel zu schreiben in einem Krankenhaus, gell?«
»laja«, seufzte dieser, »es bleibt allerweil an mir hängen.«
»An Ihnen? Verzeihens - wie ich Sie zum ersten Mal gesehen hab, hab ich gedacht, Sie gehören zum ärztlichen Personal?«
Der Wärter schüttelte geschmeichelt den Kopf. »Das hör ich öfters.«
Kajetan tat ungläubig. »So kann man sich täuschen. Aber Sie sind schon lang hier, stimmts?«
»Das kann einer laut sagen«, nickte er. »Länger als der Herr Doktor«, fügte er mit eigenartigem Ton hinzu, »um einiges sogar.«
»Er wird froh sein um jemanden mit Ihrer Erfahrung.«
Der Wärter sagte nichts. Bitter verzog er den Mund, griff nach einem Stift und führte ihn an ein Schriftstück.
»Und bestimmt haben Sie auch die Verstorbene gekannt, wegen der ich hier bin.«
Der Alte sah nicht auf. »Die Aichingerische meinens?«
»Keine leichte Person, nehm ich an.«
»Wir haben lauter Leut, die nicht sehr leicht sind, Herr.«
»Aber mit Ihrer Erfahrung…«
Er schmunzelte eitel. »Da habens nicht unrecht…. Ich erinner mich noch gut, wie sie gebracht worden ist. Eine renitente Person! Ich hab gleich zum Herrn Doktor gesagt: Herr Doktor, keine Red - das Sulfonal und Trional oder auch das Morphium hydrochlorium, das können wir uns sparen.
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