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Die Göring-Verschwörung

Die Göring-Verschwörung

Titel: Die Göring-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Müller Hale
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Geschwindigkeit torkelnd Richtung Erdboden gerast und ihm war der Gedanke in den Kopf geschossen: Das war’s dann. Hier kommst du nicht mehr lebend raus! Mit aller Gewalt hatte er seinerzeit am Höhenruder gerissen, ohne einen Effekt zu erzielen. Erst als er, einer Eingebung folgend, angefangen hatte, das Seitenruder mit statt gegen die Richtung des Trudelns zu steuern, war es ihm im letzten Augenblick gelungen, die antriebslose Bristol-Bulldog vor dem unvermeidlichen Aufprall halbwegs abzufangen und so dem sicheren Tod zu entgehen.
    »Die Luftwaffe trainiert ihre Piloten in diesem Turm?«
    »Nein, dazu würden Größe und Kapazität des Windkanals natürlich nicht ausreichen. Wir verwenden maßstabsgetreue Modelle von ein paar Metern Spannweite, die frei in einem Drahtkäfig schweben. Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse können wir unsere Piloten dann besser ausbilden. Außerdem erhalten wir Hinweise zur Konstruktionsoptimierung unserer Flugzeuge und werden dadurch manches Leben retten.« Er machte eine kleine rhetorische Pause, dann fügte er hinzu: »Wir sind in der Luftfahrtforschung absolut führend in der Welt und fest entschlossen diesen Vorsprung nicht wieder herzugeben.«
    Lessing war, wie es schien, einer jener vielen deutschen Ingenieure, die den Verlockungen unbegrenzter Finanzmittel für Forschung und Entwicklung erlegen waren. Bereitwillig machten sie sich zu Werkzeugen des Regimes und versetzten die Nazis auf diese Weise erst in die Lage, den Rest der zivilisierten Welt herauszufordern. Die Flugsicherheit zu verbessern, war zweifellos ein edles Unterfangen, doch Clarson konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein senkrechter Windkanal den Nazis noch zu anderen Zwecken dienen würde. Die eigentliche Bestimmung des Turms mochte sehr wohl sein, die neue Technik des Sturzkampfbombardements zu perfektionieren. Im spanischen Bürgerkrieg hatte die Legion Condor damit Panik und Entsetzen verbreitet. Doch dies würde Lessing kaum bekümmern, seine Aufmerksamkeit schien allein auf das Erzielen neuer Forschungsleistungen gerichtet.
    Er empfand das Bedürfnis, dem Ingenieur einen Nasenstüber zu verpassen, auf dass diesem die Lust an den Lobpreisungen seiner technischen Wundertaten vergehen würde. »Ihr Name lässt mich an den berühmten deutschen Dichter denken«, räsonierte er. »Ich habe in meiner Jugend eines seiner Werke gelesen: Nathan der Weise . Sein Appell an die Toleranz zwischen den Religionen hat mich seinerzeit sehr beeindruckt. Ist vermutlich kein Lesestoff mehr im heutigen Deutschland, für das Sie die Waffen bauen.«
    Der plötzliche Themenwechsel gefiel Lessing nicht. »Ich glaube nicht, dass Sie die hiesigen Verhältnisse von London aus hinreichend beurteilen können«, gab er irritiert zurück.
    »Es wird kaum ein Geheimnis daraus gemacht, wie man mit jüdischen Bürgern in Ihrem Land umgeht«, setzte Clarson nach.
    »Das werfen Sie dem Falschen vor.«
    »Sie meinen, Sie haben so gar nichts mit all dem zu tun?«
    »Vielen Dank, ich brauche keine selbstgerechten Belehrungen«, war Lessings indignierte Antwort. »Ich kenne die Situation in Deutschland selbst sehr genau. Meine Frau ist Jüdin und ich Halbjude, wie man das heutzutage nennt, wenn man eine jüdische Mutter hatte.«
    Clarson stutzte. »Verzeihen Sie, ich hatte keine Ahnung.« Er wusste nicht recht, wie er fortfahren sollte. »Wie lebt es sich, ich meine, wie kommen Sie zurecht in Deutschland unter diesen Umständen?«
    »Meine Familie wohnt nicht mehr in Deutschland«, antwortete Lessing in verhaltenem Ton, »ist in die Schweiz übersiedelt. Feldmarschall Göring hat ihre Ausreise ermöglicht.«
    »Und Sie selbst? Sie leben weiter hier?«
    »Emigration ist in meiner Situation keine Option. Die Luftwaffe braucht die Entwickler von der Industrie. Solange ich von Nutzen bin, bleibe ich unbehelligt. Außerdem bin ich, auch wenn das seltsam für Sie klingen mag, immer noch deutscher Patriot.«
    Der Ingenieur, der Clarson zunächst so philisterhaft erschienen war, musste mit bizarren und kaum erträglichen Lebensumständen konfrontiert sein. Er würde regelmäßige Benachteiligung und Ausgrenzung erfahren und sich stetig verschärfenden gesetzlichen Schikanen ausgesetzt sehen in einem Land, das Juden generell zum Staatsfeind Nummer eins erklärt hatte. Gleichzeitig arbeitete er an Ausbau und Festigung der Machtstellung des Reiches mit und stand dabei sogar in direktem Kontakt zu einem seiner führenden Repräsentanten.
    Clarson

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