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Die goldene Barke

Die goldene Barke

Titel: Die goldene Barke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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zog sie erbarmungslos weiter auf das bewegte Wasser zu. Sie riß sich los und rannte zum Waldrand zurück und rief nach ihm. »Geh nicht, Jephraim! Geh nicht unter!« Tallow konnte ohne Miranda nicht weiterlaufen. Er stand mit einem Fuß auf dem Sand, der wie braunes, eingetrocknetes Blut aussah, mit dem anderen auf dem gelben Rasen und war unentschlossen und ängstlich. »Möchtest du, daß ich allein untergehe?« fragte er. »Du hast doch gesagt, daß du das möchtest.«
    »Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich werde mein Schicksal allein vollenden, aber es ist nicht mein Geschick, ganz unterzugehen.«
    »Dann komm zurück.«
    Das Meer brüllte und toste, und der Lärm schwoll zu wildem Wüten an; er lockte Tallow näher zu kommen, hieß ihn willkommen, bot ihm Erfüllung, die Erfüllung des Todes. Er fuhr zusammen und rannte dann zum Wald zurück, spürte, wie das seltsame Meer den Strand hinauf zu ihm lief. Er blickte sich um und sah, daß es nicht angeschwollen war, daß die Brecher nicht mehr so wild waren, daß das Meer sich beruhigt hatte. Miranda packte seine Hand in einem Anfall von Angst und zog ihn an sich, als habe sie ihn aus einem Strudel gerettet. Er klammerte sich an sie, und ihre Körper atmeten im Gleichklang, sie umschlangen sich und wurden eins. Sie blieben lange Zeit zusammen, während das Meer Tallow rief und der Wind ihr Fleisch kalt streichelte. Tallow konnte das Meer aber nicht mehr hören und spürte nichts als Mirandas warmen Körper, der sich an seinen schmiegte. Ihre vereinten Körper leuchteten im öden Grau des fremden Strandes und unter einer Sonne, die nicht wärmte, die nur leuchtete wie ein Stern in der Nacht, und wieder einmal wußte Tallow, was Gemeinschaft in Wahrheit bedeutete, eine Wahrheit, die er fürchtete und haßte, während er Miranda und all das, was sie ihm schenkte, liebte. Selbst als sie in den Wald zurückkehrten und sich an einem orangefarbenen Baumstamm ins blaue Moos legten, selbst als er sie küßte und leise über seine Liebe sprach, hatte er Angst, quälten ihn Ungewisse Gedanken an die Folgen seines Handeins. Stunden später sagte Miranda: »Ich frage mich, ob die Revolution erfolgreich war.«
    »Hoffentlich«, flüsterte er, »denn wenn wir zurück müssen, haben wir wenigstens die Möglichkeit, zu Freunden zurückzukehren.«
    »Sehen wir nach, ob die Hüter bereit sind, uns nach Rimsho
zurückzusenden?« schlug sie vor.
»Ja«, sagte er.
    Sie suchten den Weg zurück zur überkuppelten Wohnstätte
    der zwölf zarten Männer. Als sie sie erreichten, wartete der Mann, der zu ihnen gesprochen hatte, schon auf sie.
    »Geht in dieser Richtung weiter«, sagte er, »und ihr werdet zu dem Platz gelangen, an dem ihr unser Land betreten habt.« Sie gingen schweigend an ihm vorbei über die Lichtung in den Wald. Sie überquerten den silbernen Bach und erblickten wieder goldene Vögel. Einige Zeit später kamen sie an eine Stelle, wo das Licht wie in der Hitze zu flimmern schien, und als sie an ihr vorüber waren, befanden sie sich in dem Wald, der im Westen Rimshos lag. Sie blickten sich um und sahen, daß die unirdischen Bäume verschwunden waren, daß sich hinter ihnen gewöhnlicher Wald erstreckte.
    Über dem Pfad, den sie einen Tag vorher entlanggetaumelt waren, schwang etwas, das nicht hierhergehörte, hin und her. Sie näherten sich ihm und sahen hinauf und bemerkten, daß es ein Mann war, der da hing. Ein langhalsiger, falkenartiger Mann, dessen Name Griff gewesen war. Sein weißes, totes Gesicht zeigte einen Ausdruck des Staunens, und so hatte es schon ausgesehen, bevor die Männer gekommen waren, die ihn aufgehängt hatten.
    »Irgend etwas muß passiert sein«, kommentierte Tallow trocken. »Entweder hat Natcho die Revolution erstickt und hängt alle auf, die er für Verräter hält, oder das ist einer von Natchos Männern, und Zhists Anhänger haben ihn aufgehängt.«
    Miranda zitterte. »Gehen wir weiter«, sagte sie, »bis wir an ein Tor kommen.«
    Sie fanden ein Tor, das von einem siegestrunkenen Mitglied der Freiheitskämpfer bewacht wurde. Er grinste Tallow an und warf einen lüsternen Blick auf Miranda, und sie wurden sich plötzlich bewußt, daß sie nackt waren.
    »Wo habt ihr gesteckt?« lachte der Soldat, der Tallow erkannt hatte.
    »Im Märchenland«, antwortete Tallow gutmütig, ging in die

    Stadt und ließ eine verblüffte Wache zurück.
    Sie klopften an die Tür des erstbesten Hauses und liehen sich von der alten Frau, die ihnen öffnete, ein

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