Die goldene Galeere
Wahrsager und fragte: »Weißt du wirklich, was mich bedrückt? Wenn du es mir sagen kannst, dann will ich anerkennen, dass du deinen geforderten Lohn wert bist.«
»Das ist ein Wort!« Sadagar setzte den Krug an, tat einen herzhaften Zug und reichte ihn dann Oblatko. »Ah, wirklich nicht schlecht. Aber wo ist das Gold?«
Oblatko holte, ohne den Krug abzusetzen, unter seiner Schürze drei Goldstücke hervor, die er auf den Tisch knallte. Das Geräusch war wie Musik in Sadagars Ohren. Und dazu sang der Barde:
»Die Zeit nach dem Kometen
Das Böse greift um sich.«
Sadagar begutachtete die Münzen. Zwei davon zeigten das Abbild des letzten tainnianischen Königs Arwyn. Die dritte war jedoch auf beiden Seiten völlig blank, bestand aber auch aus purem Gold.
»Du bist ein guter Mann«, sagte Sadagar salbungsvoll und tätschelte den wulstigen Handrücken Oblatkos. »Du bist ein ganzer Mann, ein Bulle. Acht Prachtjungen nach deinem Ebenbild - und ein weiterer ist unterwegs. Er wird der stärkste und der klügste von allen sein. Du wirst meinen, God selbst hätte ein Stück von dir genommen und es beseelt.«
»Ist das wahr?« fragte Oblatko. »Ein Junge? Und er wird sein wie ich?«
»Ich sehe die Zukunft, ich sehe dich«, sagte Sadagar. »Der Tag seiner Geburt strahlt in hellem Licht. Dieser Tag wird die eheliche Treue deines Weibes Gauda lobpreisen.«
»Und es gibt keine Schatten?«
Sadagar überlegte sich, ob er sich absichern solle, entschied sich aber dagegen. Er sah sich schon in den einsamen Wäldern von Dandamar, und mit etwas Glück würde Oblatko sogar in der Stunde der Wahrheit seinen Namen rühmen.
»Licht! Licht!« rief Sadagar. »Ich sehe nur reines, ungetrübtes Licht. Die Zukunft ist eitel Wonne!«
Oblatko sprang mit einem Jubelschrei auf und verkündete seinen verblüfften Gästen, dass die nächste Runde auf seine Rechnung gehe.
Sadagar hatte in der nächsten Zeit so viel zu tun, dass er kaum zum Trinken kam. Ein halbes Dutzend Männer und Frauen suchten ihn auf, um sich ihre Zukunft weissagen zu lassen. Der eine erkundigte sich danach, wie lange God ihm noch die Manneskraft gewähren werde, ein anderer wollte wissen, ob es ratsam sei, schon jetzt den im Sterben liegenden Onkel aufzusuchen, der drei Dörfer weiter südlich wohnte, oder ob es besser sei, seinen Tod abzuwarten, um ihn beerben zu können. Ein dritter wollte erfahren, ob er seine Viehherde noch vor dem Winter ins Karsh-Land treiben sollte, wo er sich einen guten Preis erhoffte, oder ob es klüger sei, bis zum kommenden Frühjahr zu warten. Sadagar riet ihnen allen, ihre Vorhaben so rasch wie möglich durchzuführen, weil schlechte Zeiten bevorstünden. Das tat er in Anbetracht der näher rückenden Caer, aber er ließ sich nicht näher darüber aus. Er wollte sein Wissen wirkungsvoller an den Mann bringen.
Als nächster war der Anführer der darainischen Grenzwächter an der Reihe, Barbas Liebhaber. Verians Gesicht war nun noch mehr gerötet.
»Mein Liebchen hat mir gesagt, dass sie bei dir war«, eröffnete er das Gespräch mit schwerer Zunge. »Sie war von deinen Weissagungen sehr angetan und schwebt seither in den Wolken. Besonders entzückt war sie von dem heraufbeschworenen Geist, diesem winzigen Damian.«
»Kleiner Nadomir«, berichtigte Sadagar wohlwollend. »Alle, die ihn zu sehen bekommen, sind von ihm entzückt. Besonders die Mädchen.«
Der Krieger schnitt ihm das Wort mit einer unsicheren Handbewegung ab und fragte: »Stimmt es, dass du Barba endloses Glück an meiner Seite versprochen hast? Und dass wir uns bis ins hohe Alter lieben und sie mir eine Legion von Bälgern gebären würde? Hast du ihr wirklich diese Flausen in den Kopf gesetzt? Sprich!«
»Nun.«, begann Sadagar unsicher. »Wenn ihr euch liebt und zusammenbleiben wollt.«
»Ich denke nicht daran, in diesem Nest alt zu werden«, schrie Verian wütend. »Ich komme hier vor Langeweile um. Eher werde ich fahnenflüchtig, als unter diesen Hinterwäldlern mein Leben zu fristen. Wie kommst du dann dazu, der Tochter des Schmieds solche Hoffnung auf mich zu machen?«
Der Krieger hatte sich so in Wut geredet, dass er die Beherrschung verlor, sich auf den Wahrsager stürzte und ihn bei den Jackenaufschlägen packte. Sadagar hatte es kommen sehen, sich jedoch entschlossen, sich nicht handgreiflich zu Wehr zu setzen, sondern seinen Trumpf auszuspielen. Eine bessere Gelegenheit würde sich nicht mehr bieten.
Er täuschte einen Schwächeanfall vor und begann
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