Die goldene Galeere
unzusammenhängend zu plappern. Da er sich den Büttelbornern schon einige Male in diesem Zustand gezeigt hatte, wandten sie ihm sofort ihre Aufmerksamkeit zu und scharten sich um seinen Tisch.
»Er hat eine Eingebung«, murmelten sie.
»Was ist das für eine Erscheinung, die dich plagt, Steinmann Sadagar?« fragten sie.
»Ich sehe Blut«, murmelte er mit geschlossenen Augen. »Ein Meer von Blut. Und darauf die Schiffe der Caer. Sie ziehen gen Westen und morden und brandschatzen. Das Land an der Straße der Nebel brennt. Elvinon geht in Schutt und Asche.«
Seinen Worten folgte unheimliche Stille. Das Lied des Barden war verstummt.
In das Schweigen hinein sagte Barbas Liebhaber: »Das ist keine Kunst. Wir alle wissen, dass die Caer eines Tages ihre Eroberungspläne in die Tat umsetzen werden. Es fragt sich nur, wann das geschehen wird. Wer weiß, ob wir das noch erleben.«
»Es ist bereits geschehen«, sagte Sadagar mit unheilvoller Stimme. »Elvinon ist caerisch. Es gibt keine Bastion mehr, die den Eroberern auf dem Weg nach Osten Widerstand leistet. Ich höre das Geklapper unzähliger Hufe, ich wittere den Geruch brennender Städte. Darain kommt in Sicht.«
Sadagar brach ab, als vom Dorfplatz aufgeregte Stimmen erklangen und das Hufgeklapper eines einzelnen Pferdes zu hören war. »Kann es sein, dass dies der Bote ist, der uns die furchtbare Kunde bringt?« fügte er in der Hoffnung hinzu, aus dem Tumult vor der Herberge die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und diesmal war ihm das Glück ausnahmsweise hold.
Die Tür der Kneipe flog auf, und ein Mann stürzte herein. »Ein Kurier des Herzogs!« rief er aufgeregt. »Er ist tot. Sein Pferd hat ihn mitgeschleift. Aber in seiner Tasche ist eine Botschaft.«
Verian sprang von seinem Platz auf und stürmte aus der Schankstube, die anderen Gäste folgten ihm ins Freie, selbst Oblatko watschelte hinter ihnen drein. Nur Sadagar und der Barde blieben zurück. Letzterer stimmte mit seinem Instrument eine traurige Melodie an. Von draußen klang erregtes Stimmengewirr herein.
Es dauerte nicht lange, dann kam die Menge wieder ins Lokal zurück. Der Anführer der Grenzwächter hielt ein Pergament in der Hand und versuchte die Schriftzeichen im Schein einer von der Decke hängenden Öllampe zu entziffern. Er war von seinen beiden Kameraden und einer Menschentraube umringt.
»Es stimmt wahrhaftig«, sagte er schließlich. »Elvinon ist gefallen. Unser Herzog befiehlt alle Krieger nach Darain zurück. Die Caer überrennen ganz Tainnia.«
Er ließ das Pergament sinken und sah seine Kameraden bedeutungsvoll an. Dann sagte er: »Ihr habt es gehört. Wir sammeln uns am Wehrturm und reiten dann geschlossen ab.«
Die Grenzwächter bahnten sich einen Weg ins Freie und zogen die Schaulustigen mit sich. Sadagar ließ der Menge Zeit, sich zu zerstreuen, dann trat er ebenfalls auf den Dorfplatz hinaus.
Es war eine kalte, sternenklare Nacht. Im Süden war der ferne Silberstreif, der das Ende der Welt anzeigte, deutlich zu sehen. Er war schön und majestätisch, und doch ging alles Böse und Dämonische dieser Welt von ihm aus.
Das Pferd des herzoglichen Kuriers stand verlassen da. Die Leiche hatte man weggeschafft. Sadagar nahm das Pferd am Zügel und band es an der Koppel vor der Herberge fest. Wie zur Abwehr gegen Dämonen brachte er einige seiner nutzlosen Fetische am Sattel an, so dass jeder sie sehen konnte. Kein Büttelborner würde es wagen, dem Tier zu nahe zu kommen.
Er warf einen Blick zu dem Fenster seiner Unterkunft hoch und stellte fest, dass dahinter Licht brannte. Dann kehrte er in die Schankstube zurück, nahm den Krug von seinem Tisch und ging damit nach oben. Der Barde saß noch immer an seinem Platz und schien seine Anwesenheit gar nicht wahrzunehmen. Vermutlich dichtete er gerade an einer neuen Strophe seines Liedes.
Als Sadagar oben angelangt war, vernahm er aus den Räumen der Wirtsleute ein Stöhnen, maß diesem aber keine Bedeutung bei. Gutgelaunt öffnete er die Tür und betrat die Unterkunft.
Fahrna hatte den Vorhang ihres Bettes geschlossen. Durch den Stoff war das gedämpfte Licht einer Öllampe zu sehen. Das Rascheln von Pergament verriet ihm, dass die Runenkundige eifrig am Lesen war.
»Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass ich einen erfolgreichen Abend hinter mir habe«, sagte Sadagar. Er nahm einen Schluck Elchblut und fügte dann hinzu: »Ich habe dafür gesorgt, dass wir morgen einen starken Abgang haben werden.«
»Stör mich nicht«, sagte
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