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Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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oder Césarine fertig macht.«
    Sie sah, dass Adrian eine andere Fackel nahm, und fuhr fort:
    Â»Mathias schläft noch. Weckt ihn nicht zu früh. Er schien mir in den letzten Tagen sehr erschöpft zu sein. Sagt ihm, wenn er mich nicht an der Place Foire-le-Roi antrifft, sei ich bis mittags in der Werkstatt von Properzia.«
    Kurz darauf band sie Césarine an, und als Properzia den flackernden Schein der Fackel sah, eilte sie sogleich zu ihr. Langsam wich die Nacht dem Morgen, der sich am Horizont erhob.
    Â»Ich konnte nicht schlafen«, entschuldigte Alix sich. »Ich muss mit dir arbeiten.«
    Â»Das ist gut so. Komm.«
    Sie betraten die Werkstatt, in der überall Stein- und Marmorblöcke herumlagen. In den Ecken standen Gips und Eimer mit Ton. Properzia nahm ihrer Freundin die Fackel ab und stellte sie auf den einzigen langen Tisch, auf dem Kartons, Tintenfässer, Federn und Zirkel nebeneinanderlagen.
    Â»Ich habe mich entschlossen, dich in Stein zu meißeln. Bist du einverstanden?«
    Vor Überraschung wusste Alix nicht, was sie antworten sollte.
    Â»Mich in Stein meißeln!«, wiederholte sie erstaunt. »Du weißt sehr wohl, dass ich diese Art der Arbeit ablehne. Und was wird Mathias dazu sagen?«
    Â»Vergiss das eine Mal deinen Mann«, sagte ihre Freundin in leicht gereiztem Ton. »Ganz erfüllt von dir, schläft er um diese Uhrzeit glücklich und zufrieden. Kommst du nicht aus seinem Bett?«
    Â»Properzia!«
    Â»Verzeih, Alix. Ich bin besessen von der Idee, eine Skulptur von dir anzufertigen. Der Gedanke macht mich ganz wahnsinnig.«
    Â»Aber …«
    Â»Es ist so«, fuhr sie fort. »Bezüglich meiner Steinblöcke bin ich genauso fanatisch wie du mit deinen Webstühlen. Solange ich mich im Val de Loire aufhalte, werden meine Venusfiguren, meine Sylphiden, meine Jungfrauen, meine Judith und meine Frauen von Potiphar dein Gesicht tragen. Alle! Ja, alle!«
    Â»Das ist unmöglich.«
    Properzia stürzte auf Alix zu, nahm sie in die Arme und raunte ihr ins Ohr:
    Â»Wie soll ich deinen Körper kennenlernen, wenn ich ihn nicht in Stein nachbilde?«
    Sie schob Alix zurück, hielt sie auf Armeslänge von sich weg und sah ihr tief in die Augen, während in der Werkstatt langsam der Morgen heraufdämmerte.
    Â»Hier, in meinen Fingerspitzen«, erklärte sie, während sie über Alix’ Gesicht strich, »spüre ich die Vollkommenheit. Die Form deiner Stirn, deines Halses, deiner Schultern ist edel, rein und erhaben. Und ich gestehe, dass ich in deinen Augen heimlich dieses Leuchten bemerkt habe, das nur mir gilt. Willige ein, Alix. Ich flehe dich an. Wenn nicht, werde ich mir überlegen, zurück nach Bologna zu gehen.«
    Â»Aber du besitzt dort nichts mehr!«
    Â»Das ist mir nicht wichtig.«
    Â»Was willst du?«, seufzte Alix.
    Â»Ich will, dass du dich dort neben den morgendlichen Sonnenstrahl stellst, der einen unvergleichlichen Glanz auf dein Haar zaubert.«
    Sie ließ Alix los, trat ein paar Schritte zurück und kam wieder zu ihr.
    Â»Ja genau, dort will ich dich in einem schönen prächtigen weißen Stein nachbilden. Ich will dich betrachten und dich berühren, wenn es mich danach verlangt, nur um meine Inspiration, mein Feuer, meine Lebensfreude zu steigern. Wenn du anschließend zu deinen eigenen Werken zurückkehrst, kann ich dich in Sandstein, Marmor, Porphyr und Basalt schlagen. Kein Stein wird sich mir verweigern. Aber zuvor muss ich deinen Körper kennenlernen.«
    Sie wandte den Blick zum Licht, das die Werkstatt immer mehr durchflutete und eine angenehme Atmosphäre verbreitete.
    Â»Ich möchte das Leuchten in deinen Augen festhalten, wenn du deine eigenen Werke betrachtest. Die Verwegenheit, wenn du deinen Körper befreist, und die Lust, wenn du liebst.«
    Sie eilte zu ihrem Tisch, auf den ein blasser Lichtstrahl fiel, griff Karton und Feder und entwarf wortlos eine Skizze. Alix’ Blick fiel auf ihre eigenen Zeichnungen, zu denen ihre Freundin sie angeleitet hatte, doch sie begriff, dass es weder der richtige Tag noch die richtige Zeit war, sie fertigzustellen. Ein heftiges Gefühl überkam sie, und ein unwillkürlicher Seufzer löste sich aus ihrer Kehle.
    Sie ging zu Properzia und begann mit lasziven gezielten Bewegungen, sich zu entkleiden. Stumm sah ihre Freundin ihr einen Augenblick zu. Mit sachkundigem Blick, dem jede Art von

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