Die Goldmacherin Historischer Roman
den Stuhl dabei um, so dass die bestickte Rückenlehne auf den Teppich kippte. Mehr als das heftige Ende der Unterrichtsstunde verwunderte Aurelia das eingewobene Bild im Flor: Ein wollenes Pferd lag mit offenem Maul neben einem Habsburger Adler, als wolle es ihn verschlingen. Aurelia konnte nicht umhin, das als Omen zu deuten.
»Lass mich in Frieden mit der Astrologica! Was können mir die Sterne anderes voraussagen als Unheil?« Die Prinzessin war in reinem Weiß gekleidet, die Säume und ihr Haarband zierten gestickte Blumen. Sie rieb sich die Tränen von der gesunden Wange, doch zuckte ihre Hand im letzten Augenblick vor der verschwärten zurück. »Wie ist das grässlich!« Die verquollenen Lider nahmen ihren eisblauen Augen den Reiz. Sie lief im kleinen Saal auf und ab.
Du wolltest es nicht anders, verwöhnte Prinzessin. Aurelia ermahnte sich zu Nachsicht. Welche Frau mochte schon einen ungeliebten Mann nehmen müssen? Margret war jung und sie hatte kein Leben auf Landstraßen verbringen müssen, was früh Mores lehrte. »Beruhigt Euch, es wird vorbeigehen«, sagte Aurelia deshalb sanft.
»Wann gebt Ihr mir die Heilsalbe?« Die Stimme Margrets brach fast bei diesen Worten. Sie stürzte zum Fenster und sah hinüber zur Stadt. Ihre Finger trommelten am Rahmen, bis sie sich auf einmal umdrehte und gegen die Wand sank. Ihre Hände verkrampften sich in dem weißen Blumenrock. »Alle meiden
mich wie eine Aussätzige. Seht die leeren Stühle der Musikanten. Kein Lied, keinen Gesang höre ich mehr!«
An der Wand lagen auf breiten roten Samtkissen Mandoline, Fiedel und Trommeln.
»Bald werdet Ihr wieder fröhlich herumspringen«, sagte Aurelia.
»Wie soll ich Euch glauben, wenn nicht einmal die Kaiserin Euch glaubt, dass ich nicht ansteckend bin?«
»Die hohe Frau hat Angst, weil sie in Portugal …«
»Alle haben Angst vor mir!«
»Das ist nicht wahr.« Aurelia folgte Margret durch den kleinen Saal bis zur Stirnseite, wo von einem schwarz verhangenen Spiegel nur der untere Rand des Rahmens golden hervorschimmerte. »Fürst Laszlo hat keine Angst vor Eurem Ausschlag.«
Die Prinzessin wandte sich um, sie umfasste ihre Brust und berührte ihre Ellenbogen. »Fürst Laszlo, ja.« Ihre Stimme schwankte zwischen Freude und Sehnsucht. »Er ist der Einzige, der mit mir lacht, wenn ich so vor ihn trete.« Sie hob den feinen Schleier von ihrem Kragen und legte ihn vor ihre verunstaltete Gesichtshälfte. Nun ahnte man den Ausschlag nur als Schatten.
»Mit ein wenig Geduld werdet Ihr wieder so schön wie ehedem.«
Die Prinzessin drückte den Rücken durch und schaute zur Tür, die den Saal mit der kaiserlichen Wohnung verband. »Ich will nicht mehr mit der Heilung warten. Ich will nicht länger hier eingesperrt sein. Ohne Zofen, ohne Gesellschaft. Nur meinen Vater sehe ich zum Essen.«
Der Kaiser hatte sich also doch an Aurelias Rat gehalten. »Seid froh, dass niemand Verdacht geschöpft hat«, sagte sie leise.
»Wieso auch, wenn nicht einmal der Medicus sagen kann, was ich habe?« Margret ging um den Tisch herum und ließ
ihre Hand auf der Kante entlangstreichen. »Also würde auch keiner bei einer plötzlichen Gesundung Verdacht schöpfen, nicht wahr? Der Graf Wellenstein jedenfalls hat die Burg inzwischen enttäuscht verlassen.«
Aurelias Blick fiel auf den Tisch, wo der Kaiser Sternenkarten ausgebreitet und das Astrolabium aufgestellt hatte. Waren ihr die Sterne hold? Sie sollte nun doch erst Gleißwasser und dann Gold machen. Dem Kaiser war auf die Vorhaltungen des Legaten nichts anderes übriggeblieben, als zuerst die Eroberung Wiens voranzutreiben, bevor er sich der Bedrohung durch Matthias Corvinus, dem jungen Ungarnkönig, stellte. Dieser zog die berüchtigten magyarischen Reiterschaften an der Grenze zusammen. Die Ungarn hatten den Habsburgern den Diebstahl ihrer Stephanskrone nie verziehen. Denn nur sie verband das irdische mit dem himmlischen Königreich.
Die Prinzessin lächelte, ihr eisblauer Blick hing versonnen am Astrolabium in der Tischmitte. »Heiraten muss ich den Grafen Wellenstein nicht mehr. Nun bin ich frei für eine bessere Vermählung.«
Sie konnte nur Fürst Laszlo meinen, der am Morgen aus dem Burgtor geritten war, um diejenigen ungarischen Adeligen zu sammeln, die dem Kaiser treu ergeben waren. Je tiefer Aurelia in die Reichsangelegenheiten gezogen wurde, desto gefährlicher schienen sie ihr. Nie war da ein Wort beständig, nie eine Grenze wirklich sicher. Aurelia vertraute lieber den
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