Die Goldmacherin Historischer Roman
Geist. Ihm hätte sie alle Sorgen und Nöte anvertrauen können, damit sich ihre Gedanken klärten.
Die Tür flog auf. Unter dem Sturz stand ein gelbrot gewandeter,
aber mit einem Brustschild gerüsteter Diener mit einem Spieß in der Hand.
Aurelia erschrak so, dass sie ein Kännchen Steinöl umwarf. Die Lache lief die Neigung hinab zum Herdfeuer und entflammte.
In den schwarzheißen Rauch hinein rief der Diener: »Heliodor, Ihr sollt sofort in den Kleinen Saal mitkommen.«
Dort tagte der Kaiser nur, wenn er Rat hielt – oder Gericht.
Aurelia war plötzlich, als ob sie neben sich stünde. Nun hatten sie doch alles entdeckt.
Der Brustschild glänzte durch die Flammen hindurch, der Diener fuchtelte mit dem Spieß. »Kommt – sofort!«
Aus dem Burgkeller entkam sie nie und nimmer. »Ich ziehe nur den Mantel über und wische mir den Ruß aus dem Gesicht.« Das gab ihr Zeit, den Befehl für Romualds Entlassung einzustecken, wie auch das Tuch mit den eingenähten Steinen umzubinden.
Die inneren Tore der Burg waren geschlossen, auf den Zinnen saß schon die Burgwacht. Die Diener und Mägde, alle rannten im Hof herum, trugen Löschsand zu den Plätzen oder rollten Pechfässer zu den Nasen in der Burgmauer. Aus dem Geschrei schloss Aurelia, dass die Ungarn vor der Stadt standen.
»Was ist geschehen?«, fragte sie den Diener, als sie die Große Treppe des Kaiserflügels hinaufeilten.
»Die Ungarn sind mit einem mächtigen Gefolge von Reitern vor die Stadt gezogen«, antwortete dieser atemlos.
»Was ist daran verwunderlich, wenn sie die heilige Stephanskrone ihres Landes heimführen wollen?«, fragte Aurelia. Als Geleit geziemten sich nicht nur ein paar Knechte. »Sie haben sich doch gerade geeinigt …«, murmelte sie mehr zu sich selbst. Der Legat hatte ihr versichert, dass Fürst Laszlo nichts ahnte und das ausgetauschte Mindergold nach Ungarn
gebracht hatte, von wo es als Auslöse für die Stephanskrone zurückkehren sollte.Von Rüdesheim hatte sich die Hände gerieben, dass das Ränkespiel so gut aufging. War ihr Plan etwa aufgeflogen?
Der Diener bemerkte ihre Besorgnis. »Der Kaiser fürchtet noch heute einen Angriff«, erklärte er.
Sie erreichten die Wachen vor dem Kleinen Saal, die gekreuzten Spieße flogen auseinander.
»Geht sofort hinein, Heliodor. Ich darf Euch nicht begleiten.«
Aurelia schluckte und drückte das geschnitzte Portal auf. Hinter der langen Tafel an der Stirnseite hingen die Wappen und Feldzeichen der Habsburger ausgerollt an der Wand. Rot, golden und gelb leuchtete der Stoff im Licht der Junisonne. Doch der Kaiser saß nicht darunter, er hielt kein Gericht. Etwas anderes ging vor.
Ganz am Ende der langen Tafel beugte sich der würdige Kanzleischreiber mit der Fistelstimme über ein Pergament. Links im Saal vor den hohen Fenstern lief von Rüdesheim dem Kaiser hinterher, dessen rote Schöße bei jeder Kehre hörbar auf dem blanken Boden rutschten.
»Nein, nein, nein. Sie belagern uns, das ist gewiss!«, schäumte der Kaiser.
Aurelia blinzelte ins Licht.Wie in einem Possenspiel wehte in der anderen Ecke der Fellmantel des Fürsten Laszlo über seinem grünroten Wams.
»Herr des Reiches, Ihr geht fehl!«, ereiferte der sich gerade. »Hat Ungarn Euch zur Ehre und höchstem Dank nicht heute früh die Kisten voll des vereinbarten Goldes übersandt?«
»Und doch ist es eine Falle«, beharrte der Kaiser. »Der ganze Glanz soll mich blind machen für das starke Reiterheer, das da draußen vor Neustadt aufrückt. Öffne ich die Tore, nimmt man mich gefangen, stiehlt die Krone und nimmt das Gold
einfach wieder mit nach Ungarn zurück.« Er starrte hinauf zum Wappen seiner Familie an der Wand.
»König Matthias Corvinus hat den Eid vor mir, dem Legaten des Papstes, geschworen!«Von Rüdesheim rang hinter dem Kaiser die Hände und stand ihm fast schon auf den Hacken.
»Schwüre … Wie viele Eide habe ich hohe Herrn schon brechen sehen. Euer Papst sitzt in Rom weitab.Womit kommt er mir zu Hilfe, wenn der Ungar mich gefangen setzt? Mit Gebeten?«
Fürst Laszlo lief von der anderen Seite auf den Kaiser zu, mit verschränkten Händen vor der Brust, wie ein Bittsteller. »Der Friedensvertrag von Ödenburg ist doch von den ungarischen Ständen angenommen worden. Nicht nur mein Haus, die großen Magnaten der Ungarn haben zugestimmt.«
»Warum stehen dann vor meiner Burg achthundert von Euren kriegsgeübten Reitern?«
»Der Heiligen Krone zu Ehren, die einst der Heilige Stephan trug. Ein
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