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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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innehalten, aufmerksam werden. Im Schein des Kaminfeuers blitzten Broschen und Knöpfe auf, als die Männer sich niedersetzten. Die Art, wie einer von ihnen mit einer Handbewegung nach der Wirtin rief, wirkte befehlsgewohnt. Cristin kniff die Augen zusammen, um einen genaueren Blick auf sie werfen zu können, doch ihre Gesichter lagen im Dunkeln.
    »Feine Herren«, hörte sie Baldo neben sich zischen.
    Ja, er hatte recht. Dies waren offensichtlich Männer der Oberschicht, Ratsmitglieder, angesehene Bürger. Sie nickte Baldo zu und verließ mit ihm den Platz am Fenster. Sie schwiegen. Eine längere Zeit verstrich, und Cristin begann in der feuchten Luft zu frieren. Die Sonne versank hinter dem Haus, während ihre Gedanken um diese Männer kreisten. Abermals öffnete sich die Tür, und sie machte einen Satz hinter die Mauer. In diesem Augenblick war Cristin froh über das Schummerlicht und tastete zitternd nach Baldos Hand. Drei Männer traten aus der Tür.
    »Beim nächsten Mal wirst du sehen, mein Lieber, da gibt es Revanche«, sagte ein dicker Mann mit breitem Kreuz und klopfte seinem Begleiter auf die Schulter.
    »Nur zu, nur zu«, entgegnete dieser. »Wir treffen uns in einer Woche. Neues Spiel, neues Glück, nicht wahr?«
    Die Männer lachten und verabschiedeten sich leise voneinander, um jeder seiner Wege zu gehen.
    Cristin wartete, bis sie ihrem Sichtfeld entschwunden waren, und zerrte an Baldos Hand. »Nun komm schon, ich halte das Versteckspiel nicht länger aus. Lass uns morgen wiederkommen, ja?«
    »Nein. Das heißt, du kannst natürlich gehen. Ich werde jedoch bleiben, Cristin.«
    Sie wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, da hörte sie das Klappern von Schuhen, die sich dem Ausgang näherten. Eine Frau trat heraus, deren Gesicht kurz vom Mondlicht erhellt wurde. Cristin stutzte. Die blonden Haare, das runde Gesicht und der etwas forsche Gang. Das war doch Mirke, ihre einstige Lohnarbeiterin. Was hatte die junge Frau hier zu suchen? Sie musste sich irren.
    Von drinnen erklang eine Stimme. »Komm wieder rein, Liebchen!«
    »Ich will aber nach Hause«, maulte die Frau.
    Cristin reckte den Hals. Das war eindeutig Mirke. Aber auch die Stimme des Mannes, der nach ihr gerufen hatte, war ihr nicht unbekannt.
    »Nur noch eine Runde, komm schon!«
    Da war sie wieder, diese betörend tiefe Stimme, die sie so gut kannte. Lynhard Bremer! Seit wann verkehrte ihr Schwager in solchen Spelunken? Und warum war er mit Mirke hier? Fassungslos starrte sie Baldo an und wollte etwas sagen, aber sie brachte keinen Ton heraus. Wie hatte Lynhard seine Begleiterin genannt? Liebchen? Heilige Jungfrau Maria! Cristin schlug die Hände vor den Mund und lehnte sich gegen Baldos Schulter. Lynhard betrog seine Mechthild mit ihrer früheren Lohnarbeiterin?
    »Komm endlich rein, mein Täubchen«, hörte Cristin ihn jetzt rufen. »Bin gerade am Gewinnen!«
    »Na gut, noch eine Runde«, seufzte Mirke ergeben und verschwand wieder im Inneren der Schänke, gefolgt von den beiden Kerlen, die sich zum Wasserlassen in die Büsche geschlagen hatten.
    »Auf ein Neues, Bruder«, hörte Cristin einen der beiden sagen. »Die Kleine dürfte sich von deinem Schlauch erholt haben.«
    Sie biss die Zähne zusammen. Nur mühsam konnte sie ihre Wut unterdrücken, während Baldo und sie wieder näher an das Fenster traten und ins Innere der Schankstube spähten. Inzwischen war es anscheinend zu dunkel in der Spelunke geworden, denn die dicke Wirtin stellte auf jeden der Tische mehrere Lampen, die den Raum sofort in helleres Licht tauchten. Cristin beobachtete, wie sich die beiden Männer an den Würfelspielern und Zechern vorbeischlängelten und eine schmale Treppe am anderen Ende des Raumes hochstiegen. Sie sah zu dem Tisch hinüber, an dem vor Kurzem noch die Seeleute gesessen hatten. Tatsächlich, da saß ihr Schwager zusammen mit drei anderen Männern und schaute sichtlich gelangweilt den Kerlen nach. Mirke stand hinter ihm und blickte Lynhard über die Schultern. Cristin konnte es nicht fassen. Wieso schritt ihr Schwager nicht ein, wenn er bemerkte, wie sich diese Widerlinge frotzelnd auf den Weg zu diesem Mädchen machten?
    Die Wirtin stellte Lynhard und seinen Begleitern vier frischgefüllte Bierkrüge auf den Tisch. Einer der drei Mitspieler kam ihr bekannt vor, doch konnte sie sich nicht an seinen Namen erinnern. Vor Lynhard lag ein Haufen Münzen auf dem blank polierten Eichentisch, hauptsächlich Silbergroschen, aber auch einige Goldgulden. Die

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